Großartige Winzlinge
Die Hornmilbensammlung

Sie sind alt, klein und zahlreich! Horn- oder Moosmilben (Oribatida) sind faszinierende Spinnentiere und ihre frühen Formen existierten bereits vor 380 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Devon. [1] Heutzutage kommen sie weltweit in großer Vielfalt vor.

Auch unser Naturkundemuseum verfügt über eine sehr umfangreiche Hornmilbensammlung, die wir in der Vitrine vorstellen. Sie setzt sich zusammen aus einem taxonomischen und einem Teil mit Standortbelegen. Der taxonomische Teil dient zur systematischen Erfassung unterschiedlicher Arten und Gattungen. Im zweiten Teil werden Biozönosen (also Lebensgemeinschaften verschiedener Arten) bestimmter Probenstandorte gemeinsam erfasst. Entstanden ist die Sammlung ab 1976. Damals begann eine von Ludwig Beck geleitete bodenzoologische Arbeitsgruppe des Museums in einem Buchenwald in Ettlingen eine Langzeitstudie zur Bodenfauna.    

Die Milben werden unterschiedlich konserviert: Entweder in kleinen mit Alkohol oder Glycerin-Eisessig gefüllten Glasröhrchen und diese wiederum in Kunststoffbehältern oder als sogenannte Dauerpräparate eingebettet in Kanadabalsam auf Objektträgern. Von beiden Varianten sind Beispiele in der Vitrine zu sehen.

Hornmilben sind echte Winzlinge: Sie erreichen Körperlängen zwischen nur 0,2 und 1,4 Millimetern. [1] [2] Damit gehören sie zur sogenannten Meio- oder Mesofauna (von griechisch μεῖον meîon = weniger; μέσο méso = mittel). Ihre im Vergleich zu anderen Milben starke Panzerung dient dem Schutz vor Austrocknung und vor Fressfeinden. [3] [4]

Die meisten Hornmilbenarten leben hemi- und epedaphisch (von griechisch ἥμι hēmi = halb; ἐπί epí = auf / über; ἔδαφος édaphos = Erdboden), kommen also in der Streu- oder Humusschicht von Böden vor. [5] Sie machen etwa 70 bis 90 Prozent aller bodenbewohnenden Milben aus. Tatsächlich sind sie aber so gut wie überall anzutreffen – auch im Moos, auf Flechten, in Baumrinden und im Blattwerk von Bäumen. [2]

Mehrheitlich handelt es sich bei ihnen um Saprobionten; das heißt, dass sie in toter, sich zersetzender organischer Substanz leben. Als solche spielen die Hornmilben eine wichtige Rolle im Ökosystem. Weil sie so zahlreich sind, haben sie – in der Relevanz den Pilzen nachgeordnet – eine herausragende Position im Streuabbau-Nahrungsnetz [4]: Pro Quadratmeter leben je nach Standort und Temperatur bis zu 500.000 dieser Winzlinge. Dabei kommen sie vor allem im sogenannten Interstitial vor, also in den kleinsten Zwischenräumen. Hornmilben haben hinsichtlich ihres Verbreitungsgebietes eine breitere chemische Toleranz als viele andere Zersetzer, etwa Regenwürmer. Diese bevorzugen mittelsaure-alkalische Böden. In saureren Böden (niedriger pH-Wert) ist daher viel Material vorhanden – das zur Verfügung stehende Interstitial ist dementsprechend sehr groß. Dies trägt zu einer hohen Nachkommensrate und der hohen Individuenzahl der Milben an diesen Standorten bei.

Ernährungsökologisch kann man die Hornmilben überwiegend als fungivor (von lateinisch fungus = Pilz) und detritivor (von lateinisch detritus = abgerieben, beschreibt Zerfallsprodukte) einstufen. Sie sind auf abgestorbene Pflanzenreste angewiesen, die allerdings bereits im Zerfallsprozess begriffen sein müssen. Das heißt, es ist wichtig, dass beispielsweise die Laubstreu bereits von anderen Verwertern zuvor mechanisch aufgebrochen wurde. Anschließend ernähren sich die Milben von bakteriellen Überzügen, Pilzen und der Mikroflora (zum Beispiel Algen). [2] Es gibt aber auch Arten, die Bakterienfilme auf anderen organischen Restbeständen wie Aas und Tierkot fressen (nekrophage beziehungsweise koprophage Ernährung) sowie opportunistisch-omnivore (allesfressende) Arten. In Waldböden können zehn bis 20 Prozent des jährlichen Bestandabfalls an toter organischer Materie von den Hornmilben verwertet werden, in deren Darm Mikroorganismen die Holzbestandteile Zellulose und Lignin aufschließen.


Quellen

[1] Schäffer, S.; Kerschbaumer, M. (2017): Borkenkäfer und ihr Zusammenleben mit Hornmilben (Acari, Oribatida). In: Forstschutz Aktuell. Band 62, Seiten 13–18.

[2] Wehner, K.; Heethoff, M. (2022): Hornmilben – die unscheinbare Vielfalt aus dem Boden: Mit der Lupe durch den Wald. In: Biologie in unserer Zeit. Band 52, № 3, Seiten 262–267.

[3] Woas, S. (2002): Acari: Oribatida. Morphological organization and systematic groups of Oribatida. In: Adis, J. (Hrsg.): Amazonian Arachnida and Myriapoda. Pensoft-Verlag, Sofia, ISBN 978-9-546-42118-0, Seiten 21–291.

[4] Barreto, C.; Lindo, Z. (2020): Panzermilben, Käfermilben oder Moosmilben: Die fantastische Welt der Hornmilben. Abgerufen auf idiv.de (Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung) am 15. Dezember 2022.

[5] Heethoff, M.; Koerner, L. (2007): Small but powerful: the oribatid mite Archegozetes longisetosusAoki (Acari, Oribatida) produces disproportionately high forces. In: Journal of Experimental Biology. Band 210, № 17, Seiten 3036–3042.