Seite 14 - Andrias 18

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andrias, 18
(2010)
Konkrete Fragestellungen waren:
Welche Pflanzengesellschaften mit welcher
Artausstattung und welche bemerkenswerten
Arten Höherer Pflanzen
kommen im Untersu-
chungsgebiet (UG) vor?
Wie stellt sich die Flora und Vegetation im
UG im Verhältnis zu vergleichbaren, nicht mit
Schafen beweideten Gebieten dar?
Wie verändert sich die Vegetation nach Auf-
gabe der Schafbeweidung unter a) intensiver
Beweidung durch Rinder, b) extensiver Bewei-
dung durch Rinder, c) Nutzungsauflassung, d)
Mahd?
Inwieweit lassen sich die gewonnenen vege-
tationskundlichen Erkenntnisse auf andere
Gebiete mit vergleichbarer Problematik über-
tragen?
Wie hoch ist die Artenvielfalt der Arthropoden
im Untersuchungsgebiet?
Welche Faktoren prägen Artenreichtum und
Zusammensetzung der untersuchten Boden-
tiergemeinschaften?
Wie stark hat sich die Arthropodenfauna durch
die langjährige intensive Schafbeweidung ver-
ändert?
Wie hat sich die Fauna nach Aufgabe der
Schafbeweidung verändert?
Wie lassen sich die Ergebnisse der vegeta-
tionskundlichen und faunistischen Untersu-
chungen in Hinblick auf Nutzungsempfehlun-
gen zusammen interpretieren?
Nach sechs Jahren Feldarbeit und der Auswer-
tung der umfangreichen Daten liegen nun zu
den meisten Fragen klare Antworten vor. Die
räumlich und zeitlich intensive Aufnahme der
Höheren Pflanzen und verschiedener wirbelloser
Tiergruppen hat zu einer umfangreichen und au-
ßergewöhnlich guten Kenntnis der Biodiversität
dieses Gebiets geführt. In diesem Artikel wird
ein Überblick über die bisherigen Forschungser-
gebnisse gegeben. Ein Teil der fachspezifischen
Ergebnisse ist in weiteren Artikeln in diesem
Band dargestellt (H
arry
&
H
öfer
2010;
H
öfer
et
al. 2010; U
rban
&
H
anak
2010),
einzelne Aspek-
te wurden bereits publiziert (M
uster
et al. 2008,
­
U
rban
&
M
ayer
2006, 2008).
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Untersuchungsgebiet
Die
Allgäuer Alpen
sind aufgrund ihrer Lage,
der Geologie und der Kulturgeschichte das (flo-
ristisch) artenreichste Gebiet der Bayerischen
Alpen und gelten als ein Biodiversitätszen-
trum der Nördlichen Kalkalpen. Sie zeigen in
einem ausgedehnten Höhenstufengradienten
eine den vielfältigen Gesteinen entsprechende
Mannig­faltigkeit landesweit seltener Standorte
und herausragender Bestände mit Vorposten
der zentralalpinen Flora. 1992 wurde deshalb
das Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen mit
20.724
ha eingerichtet. Seit 2001 sind die Allgä-
uer Hochalpen Bestandteil der europäischen Na-
tura 2000 Schutzgebiete (FFH- und SPA-Gebiet).
Die Stiftung Bayerischer Naturschutzfonds und
eine Kofinanzierung durch die Europäische Uni-
on sowie eines Trägers ermöglichen seit 2003 die
Etablierung von Gebietsbetreuern in Bayern, die
sich für den Erhalt schutzwürdiger Landschaften
in Bayern einsetzen. Für die Gebietsbetreuung
der Allgäuer Hochalpen hat der LBV die Träger-
schaft übernommen. Das Erscheinungsbild der
Allgäuer Gras- oder Blumenberge, einer Gebirgs-
landschaft von hoher landschaftsästhetischer Be-
deutung, geht neben besonderen geomorpholo-
gisch-geologischen Faktoren zum Großteil auf die
Nutzungsgeschichte zurück. Auf nährstoffreichen
lehmigen Böden über dem Untergrund der wei-
chen, tonig-mergeligen Gesteine der Allgäu-
schichten wird seit der Rodung des Bergwalds im
Mittelalter vom Menschen Mahd (durch die die
Alpen im 14. Jahrhundert bevölkernden Walser)
und Weidewirtschaft (Alpwirtschaft) betrieben
(
B
ürkle
1980).
Die gemähten Flächen (Bergmäh-
der, Lahnerrasen, Wildheuplangen) waren für die
Produktion von hochwertigem Winterfutter von
großer Bedeutung. Durch die extensive Mahd-
und Weide-Nutzung sind besonders artenreiche
Rasengesellschaften unterschiedlicher pflanzen­
soziologischer Anbindung entstanden, die von
ca. 1500 bis auf 2000 m Höhe reichen. Für di-
ese speziell ausgebildeten Lebensraumtypen
trägt Deutschland im europäischen Rahmen eine
ganz besondere Verantwortung. So wird dem
Erhalt dieses für die Bayerischen Alpen einma-
ligen Biodiversitätszentrums in der so genannten
gebietsbezogenen Konkretisierung der Erhal-
tungsziele“ des FFH-Gebiets Allgäuer Hochalpen
folgendermaßen Rechnung getragen: „Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der alpinen Heiden und
des boreo-alpinen Graslandes auf Silikatsubstra-
ten, der alpinen und subalpinen Kalkrasen sowie
der Berg-Mähwiesen in ihren nutzungsgeprägten
Ausbildungsformen; Erhaltung des Offenland-
charakters; Erhaltung extensiv genutzter und ge-
pflegter Bestände, sofern die Nutzung zur Quali-
tätssicherung erforderlich ist“.