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Flora und Vegetation der Alpe Einödsberg
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Flora und Vegetation der Alpe Einödsberg im
Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen
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Kurzfassung
Im Rahmen des Einödsberg-Projekts wurden von 2002
bis 2008 Flora und Vegetation einer beweideten Alpe
bei Oberstdorf untersucht. Das Gebiet ist Teil des Na-
tura 2000-Schutzgebietes „Allgäuer Hochalpen“ und
weist besondere geologisch-geomorphologische und
nutzungsspezifische Rahmenbedingungen auf, die die
Vegetation bestimmen. Die potentiell natürliche Vege-
tation dürfte vorwiegend aus hochmontan-subalpinen
Fichten-Grünerlenwäldern und Borstgrasrasentypen
im Auflösungsbereich des Waldes bestanden haben.
Die aktuelle Vegetation hat auf Grund der edaphischen
Voraussetzungen und der anthropogenen Nutzung
ihren Schwerpunkt in Weidegesellschaften im Umfeld
der Nardetalia. Alle nachgewiesenen Pflanzengesell-
schaften werden kurz beschrieben, soziologisch inter-
pretiert und in einer Vegetationskarte dargestellt. Die
Untersuchung der Flora lieferte ein Spektrum der für
die Allgäuer Mergelberge typischen Kieselflora der
subalpinen und alpinen Stufe unter dem Einfluss jahr-
zehntelanger, intensiver Schafbeweidung. Diese hat zu
einer Verarmung an Arten im Kernbereich des Weide-
gebietes geführt. Nur an wenig zugänglichen Refugi-
alstandorten konnten Relikte der ursprünglichen Flora
nachgewiesen werden. Diese Besonderheiten werden
näher erörtert. Insgesamt werden 647 im Gebiet nach-
gewiesene Gefäßpflanzenarten aufgelistet und bewer-
tet. Nach der Roten Liste Bayerns sind davon 58 Arten
als „gefährdet“, 12 als „stark gefährdet“ und 3 als „vom
Aussterben bedroht“ eingestuft.
Abstract
Flora and vegetation on a Bavarian alpine meadow
(
Alpe Einödsberg)
Within the project „Einödsberg“ which aimed to moni-
tor the effects of different grazing regimes on flora and
fauna on an alpine meadow in the Bavarian alps flora
and vegetation were studied from 2002 to 2008. The
area is part of a Natura 2000 reserve and characte-
rized by particular geological-geomorphological con-
ditions as well as the influence of the anthropogenic
land-use. Potential vegetation is thought to consist of
high-montane to subalpine spruce forests and dwarf
alder and mat-grass (Nardus stricta) swards, where fo-
rests disintegrate. Actual vegetation consists mainly of
pasturage of Nardetalia forms determined by the eda-
phic conditions and the former use by sheep pasturing.
All phytocoenoses found in the study area are shortly
described, interpreted and visualized in a map. The flo-
ra reflects the region-specific species composition of
the subalpine and alpine silica flora on marl soils under
long-term intensive sheep grazing. This land use led
to an empoverishment of species in the central part of
the meadow. Only at a few marginal sites of difficult
access were relict species of the original flora found.
These particularities are discussed. A total of 647 spe-
cies registered for the study area is listed and valuated.
Of these, 58 species are considered endangered, 12
strongly endangered and 3 as species under risk of ex-
tinction by the Bavarian Plant Red List.
Autoren
Dipl.-Biol. R
üdiger
U
rban
,
Puchheimer Weg 11, D-
82223
Eichenau;
Dipl.-Biol. A
strid
H
anak
,
Seestr. 18, D-86899 Lands-
berg, beide Arbeitsgemeinschaft Vegetation der Alpen
(
AVEGA), buero@avega-alpen.de.
1
Einleitung
Die Allgäuer Alpen nehmen hinsichtlich ihrer
pflanzensoziologischen und floristischen Viel-
falt sowohl innerhalb der Bayerischen Alpen als
auch im Bereich des gesamten Alpennordrandes
eine Sonderstellung ein. Neben der geologischen
Vielfalt und einer hohen Reliefenergie mit starker
Gebirgsgliederung (S
cholz
1995)
tragen diese
Gegebenheiten zu den höchsten Pflanzenarten-
zahlen bei, die ein bayerischer Gebirgsstock auf-
weist. Auch hat in keinem anderen Teil der Ba-
yerischen Alpen landwirtschaftliche Nutzung seit
mehr als 1.000 Jahren ein Gebiet so geprägt wie
die Allgäuer Alpen (S
cherzer
1930).
Die im „Pro-
jekt Einödsberg“ untersuchte Alpe ist Teil dieses
Gebietes und stellt in Bezug auf die Nutzung von
Alm- und Alpflächen in den Bayerischen Alpen
eine Besonderheit dar. Bis ins erste Drittel des
20.
Jahrhunderts wurden die offenen steilen Ra-
senhänge der Einödsberg-Alpe noch vorwiegend
gemäht (E
nzensperger
1906).
Nach einer Phase
mit sehr extensiver Rinderbeweidung (mit weni-
gen Ochsen) wurde über 30 Jahre lang mit 2.000
bis 3.000 Schafen intensiv beweidet. Die Folge
war eine massive Veränderung der ursprüng-