H
öfer
et al.: Einödsberg-Projekt
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tationsdecke durch Tritt und Verbiss und insge-
samt eine Verschiebung in der Artenausstattung.
Weideresistente Arten, v.a. Gräser, nehmen zu,
während konkurrenzschwache, meist krautige
Arten verdrängt werden. Die Folge ist eine Ver-
filzung durch wenige, sich stark ausbreitende
Grasarten und die Zunahme von vom Vieh ge-
miedenen krautigen Arten wie z.B. dem Weißen
Germer. Dabei hat die Beweidung durch Schafe
grundsätzlich andere Auswirkungen auf die Ve-
getation als eine Beweidung durch Rinder (B
ött
-
cher
et al. 1992), da Schafe ihre Futterpflanzen
tiefer als Rinder abbeißen.
Der Einfluss der Beweidung auf die Tierwelt
hängt ebenfalls stark von den abiotischen Aus-
gangsbedingungen, der Nutzungsform und der
betrachteten Tiergruppe ab. Insgesamt ist aber
weit weniger über die Auswirkung von Beweidung
auf die extrem artenreiche und z.T. ungenügend
bekannte Wirbellosenfauna der Alpen bekannt,
als über die Auswirkungen auf die Vegetation.
Für den Naturschutz stellt die sozio-ökono-
mische Entwicklung im Alpenraum eine He-
rausforderung bezüglich der Formulierung bzw.
Abwägung der Ziele Arten- und Prozessschutz,
Erhalt funktioneller Lebensgemeinschaften und
nachhaltige Nutzung dar. Der nachlassende
Nutzungsdruck auf die Almen und zunehmende
Auflassung ehemals genutzter Flächen eröffnet
also dem Naturschutz im Hinblick auf den Erhalt
von Biodiversität (Artenvielfalt) enorme Möglich-
keiten. Nach einem Paradigmenwechsel im Na-
turschutz, vom klassischen Schutz „pseudona-
türlicher“ Flächen (auch gegen Widerstand der
lokalen Bevölkerung) hin zu einer angepassten
Form der Nutzung mit den Zielen Erhalt der Ar-
tenvielfalt, Biotope und Landschaften, wird von
der Internationalen Alpenschutzkommission
­
CIPRA eine Koalition zwischen Landwirtschaft,
Natur- und Heimatschutz im gesamten Alpen-
raum gefordert (www.alpen-konvention.org). Da
es in den Alpen unterhalb der hochalpinen Stufe
keine vom Menschen völlig unbeeinflusste Na-
turlandschaft mehr gibt, sondern die Kulturland-
schaft aufgrund einer Landnutzungsänderung in
den unzugänglichen und schwer zu bewirtschaf-
tenden Bereichen immer extensiver genutzt wird
(„
verwildert“), geht es um eine Entwicklung der
Wildnis“ im Einklang mit Land-, Alm-, Forstwirt-
schaft, der Jagd und der lokalen Bevölkerung
mit dem Ziel sozialverträglich und räumlich ver-
netzte Schutzgebiete sowie eine umweltverträg-
lich nachhaltige Entwicklung unter Vermeidung
von Über- und Unternutzungen in den Regionen
zu erreichen (B
ätzing
2005).
Für einen wissen-
schaftlich fundierten Ansatz unter Einbeziehung
aller Interessengruppen hat z.B. der WWF eine
langfristige Vision für den Schutz der Alpenviel-
falt entwickelt. Dafür wurden Vorranggebiete für
den Naturschutz ausgewiesen, zu denen auch
das Allgäu (zusammen mit dem österreichischen
Lechtal) gehört (M
örschel
2004).
Wie auf vielen anderen Bergen im Allgäu wurden
auch die steilen Hänge der Einödsberg-Alpe unter
dem Wilden- und Spätengundkopf noch Anfang
des 20. Jahrhunderts gemäht und z.T. mit (weni-
gen) Rindern bestoßen (E
nzensperger
1906).
Seit
den 70er Jahren und bis 1999 wurde das Gebiet
dann mit über 2000 Schafen beweidet. Diese
intensive unkontrollierte Be- und Überweidung
durch die Schafe hat die Vegetation vor allem
im Gratbereich stark verändert und degradiert.
Durch den im Jahr 2000 vollzogenen Besitzer-
wechsel im Gebiet ergab sich eine von den ver-
schiedenen Interessengruppen (Besitzer, Natur-
schutzbehörden, Alpge­nossenschaft Einödsberg,
Alpwirtschaftlicher Verein, Naturschutzverband
LBV, Regierung von Schwaben, Wissenschaftler)
kontrovers geführte Diskussion um mögliche und
notwendige Änderungen in der Nutzung. Konkret
stellte sich die Frage, ob imWeidegebiet innerhalb
des Schutzgebiets noch Nutzung durch Bewei-
dung stattfinden sollte, ob Pflege- oder Manage-
mentmaßnahmen notwendig wären, oder ob man
das Gebiet sich selbst und damit einer natürlichen
Sukzession überlassen sollte. Nach Vermittlung
von Dipl.-Biol. M
ax
J
akobus
(
ehemals LBV) wurde
beschlossen, im Rahmen eines Projekts exten-
sive Beweidung mit Jungrindern zuzulassen und
ab 2001 durchzuführen. Naturschutzfachliches
Ziel war und ist es, Flora und Vegetation in den
subalpinen Rasen zu regenerieren und gleich-
zeitig eine traditionelle Nutzung zu erhalten. Es
wurde eine Alpgenossenschaft gegründet und mit
H
elmut
R
adeck
ein erfahrener Hirte eingestellt. Er
praktizierte eine geplante und kontrollierte Weide-
führung durch variables Auszäunen mit dem Ziel,
die zur Verfügung stehende Weidefläche mög-
lichst gleichmäßig zu bestoßen und Standweiden
zu vermeiden.
Von Beginn an waren wissenschaftliche Beglei-
tuntersuchungen zur geänderten Weidenutzung
in Hinblick auf Flora, Vegetation sowie ausge-
wählte Tiergruppen vorgesehen. Ziel dieser Un-
tersuchungen waren fundierte Aussagen zur Si-
cherung, Entwicklung und Wiederherstellung der
historisch gewachsenen Lebensgemeinschaften
im Schutzgebiet.