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rban
&
H
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:
Vegetationsentwicklung am Linkerskopf
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eutrophierten und in ihrer Vegetation stark verän-
derten Bereiche der Grat- und Muldenlagen am
Linkerskopf dar. Die einzigen Gletscher-Hahnen-
fuß-Vorkommen Deutschlands erscheinen damit
vorläufig gesichert.
Die stark durch Schafskot eutrophierten Gipfel-
lagen wurden vermutlich zusätzlich durch den
extrem trockenen Sommer 2003 geschädigt.
Die Vegetation zeigte 2004 bereits Auflösungs-
erscheinungen. Offene, erodierte Rohboden-
stellen und durch Ansammlung von Schafskot
verbrannte“ Bereiche waren die Folge. Bereits
2005
kam es nach Einstellung der Beweidung
zu einem erstaunlichen Vernarbungsprozess in
den Gipfellagen. Als Hauptbestandsbildner do-
minierten zwar trotz leichtem Rückgang weiter-
hin die Stickstoffzeiger Alchemilla subcrenata
und Poa alpina, jedoch konnten bereits einzelne
wertgebende Arten, wie Ligusticum mutellino-
ides, Oxytropis jacquinii und Erigeron uniflorus in
die Flächen einwandern.
Auf den gemähten Rasenschmielen-Beständen
der Linkersalpe (DBF 15, 16) waren ebenfalls
erste Veränderungen festzustellen. Zwar waren
nach der ersten Mahd im Juli 2005 noch keine
signifikanten Deckungsverschiebungen gegen­
über der Erstaufnahme in 2004 messbar, jedoch
hatte sich die Wuchshöhe von Deschampsia
­
cespitosa erkennbar verringert, und es waren
erste Vitalitätseinbußen bei der Rasenschmiele
zu verzeichnen. Gleichzeitig wurde die verfilzte
Vegetationsdecke etwas lichter.
Die Population des Weissen Germers auf der
Linkersalpe zeigt sich bemerkenswert sensibel
auf die Nutzungsveränderungen. Veratrum ­album
reagierte sowohl gegenüber Mahd als auch
­
gegenüber Schafbeweidung empfindlich. So ist
er in den Aufnahmeflächen entweder stark zu-
rückgegangen oder gar nicht mehr vorhanden.
Saisonale klimatische Schwankungen (wie
bspw. der trockene Sommer 2003) können im
alpinen Bereich im darauf folgenden Jahr stär-
kere Vegetationsverschiebungen bewirken als
Nutzungsänderungen. Signifikante, im Rahmen
des gewählten Aufnahmeverfahrens messbare
Veränderungen der Vegetation durch veränderte
Nutzung werden sich erfahrungsgemäss frühe-
stens nach weiteren 2-4 Jahren einstellen. Eine
Kontrolle und Auswertung der Dauerbeobach-
tungsflächen nach dieser Zeitspanne erscheint
daher besonders wichtig, zumal bisher keiner-
lei vergleichbare Ergebnisse aus dem alpinen
Raum der Bayerischen Alpen zur Verfügung ste-
hen. Die Untersuchungen am benachbarten Ein-
ödsberg hatten als Schwerpunkt die Nutzungs-
umstellung von intensiver Schafbeweidung auf
extensive Rinderälpung. Auch dort zeigten sich
erste Erfolge.
Um einen Erfolg der Nutzungsextensivierung
zu gewährleisten, ist neben der Fortsetzung der
Pflegemaßnahmen vor allem auch die fachliche
und unterstützende Begleitung unerlässlich.
Dann könnten für die Allgäuer Hochalpen in ab-
sehbarer Zeit, sowohl aus naturschutzfachlicher,
als auch aus land- bzw. alpwirtschaftlicher Sicht,
bedeutende Erkenntnisse über Möglichkeiten
zur ökologisch verträglichen Nutzung des bedeu-
tendsten alpinen Diversitätszentrums der Baye-
rischen Alpen vorliegen.
Danksagung
Die Untersuchungen und Pflegemaßnahmen im Gebiet
der Linkersalpe und des Linkerskopfes konnten nur
auf der Grundlage der Zusammenarbeit und Abstim-
mung mit den Verantwortlichen und allen Beteiligten
erfolgreich durchgeführt werden: den Grundstücksei-
gentümern Fam. S
chwegler
(
Enzianhütte) und Herrn
K
urrle
,
der Regierung von Schwaben (Höhere Natur-
schutzbehörde), dem Landratsamt Oberallgäu (Untere
Naturschutzbehörde), dem Landwirtschaftsamt Sont-
hofen, dem Alpwirtschaftlichen Verein, dem LBV-Ge-
bietsbetreuer für das NSG Allgäuer Hochalpen H
enning
W
erth
sowie weiteren ehrenamtlich tätigen Personen.
Dr. H
ubert
H
öfer
vom Staatlichen Museum für Natur-
kunde in Karlsruhe danken wir ganz herzlich für die
kritische Durchsicht des Manuskripts, für Anregungen
und zahlreiche Gespräche während und nach der Un-
tersuchungsphase. Allen hier genannten und nichtge-
nannten Personen sei an dieser Stelle herzlich für ihre
Unterstützung und tatkräftige Mitarbeit gedankt.
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