Seite 108 - Carolinea 68

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carolinea, 68
(2010)
1980).
Durch einen Fund bei Leimen-St. Ilgen
wird das Vorkommen in der Oberrheinebene
nun wieder bestätigt.
Am 27.9.2009 lagen am Fundort elf offenbar
vorjährige Fruchtkörper, die mehr oder weniger
beschädigt oder verwittert waren. Bei Besuchen
am 5.10., 24.10. und 20.11. wurden unter Fall-
laub mehrere frische Fruchtkörper entdeckt. Die
Fruchtkörper waren über eine Fläche von ca.
20
m
2
verteilt.Die Größe der Fruchtkörper war, wie
z.B. auch von D
örfelt
(1985)
und S
unhede
(1989)
angegeben, sehr variabel. Der Durchmesser der
ausgebreiteten Exoperidie lag zwischen 45 und
160
mm, der Durchmesser der Endoperidie zwi-
schen 17 und 45 mm, die Anzahl der Exoperi-
dienarme zwischen 7 und 12. Beleg-Exemplare
vom 27.9.2009 befinden sich in der Sammlung
des Verf. und im Pilzherbar des Staatlichen Mu-
seums für Naturkunde Karlsruhe (KR 25924).
Der Fundort liegt im Bereich der Topographi-
schen Karte 1:25000 Nr. 6618 am Westrand des
Südwest-Quadranten bei Leimen-St. Ilgen auf ei-
ner Flugsanddüne östlich neben dem Waldfried-
hof am Fuß einer niedrigen Böschung. Der Bo-
den wird von humosem Sand gebildet, der nach
unten zunehmend kalkhaltig ist (Salzsäurepro-
be). Der pH-Wert beträgt bis zur Oberfläche 7,5.
Das Klima ist nach dem Klima-Atlas von Baden-
Württemberg mit einer mittleren Juli-Temperatur
von 19
0
C sommerwarm und mit einem mittleren
Jahres-Niederschlag von 700-750 mm mäßig
trocken.
Die Vegetation ist ein teilweise gepflanzter Misch-
forst. Die ca. 22 m hohe Baumschicht ist dicht
geschlossen, lässt aber etwas Seitenlicht einfal-
len. Sie wird zu etwa gleichen Teilen von Robinia
pseudacacia, Aesculus hippocastanum, Acer
platanoides, Tilia cordata und Pinus sylvestris
gebildet. In der ca. 10 % deckenden Strauch-
schicht steht Jungwuchs von Ailanthus altissima,
R. pseudacacia und A. platanoides. Die ca. 70 %
deckende Krautschicht besteht hauptsächlich
aus Hedera helix. Einige Exemplare von Cheli-
donium majus und Galium aparine weisen auf
Stickstoffreichtum des Bodens hin. Im Frühjahr
kommen dazu Ranunculus ficaria, Veronica he-
derifolia und Ornithogalum umbellatum.
Im robinienreichen Wald der St. Ilgener Düne
wurden in früheren Jahren vom Verf. auch an-
dere bemerkenswerte Pilze gefunden, u.a. die
Erdsterne Geastrum corollinum (B
atsch
)
H
ollós
,
G. coronatum P
ers
.:
P
ers
.,
G. striatum DC., G.
triplex J
ungh
.
und G. rufescens P
ers
.:
P
ers
.,
so-
wie die Schirmlinge Cystolepiota hetieri (B
oud
.)
S
ing
.,
Lepiota pseudofelina L
ge
.,
Leucoagaricus
badhamii (B
k
.-
B
r
.)
S
ing
.,
L. sublittoralis, (K
üh
-
ner
ex H
ora
)
S
ing
.
Pulverolepiota pulverulenta
(
H
uijsm
.)
B
on
,
Sericeomyces sericifer (L
ocq
.)
D
ossing
f. sericatellus (M
alç
. &
B
ertault
)
V
ellin
-
ga
.
und S. serenus (F
r
.)
H
einem
.
Die Standortverhältnisse des Fundortes entspre-
chen weitgehend denen der meisten anderen im
mitteleuropäischen Binnenland. Für Ostdeutsch-
land, Niederösterreich, die Südslowakei und Un-
garn werden von D
örfelt
et al. (1979), M
razek
et al. (1995), K
uthan
(1984)
und R
imóczi
(1994)
überwiegend ebenfalls anthropogene Gehölze
auf kalk- und stickstoffreichen Sandböden an-
gegeben. In Ostdeutschland trat der Siebstern,
der nach D
örfelt
et al. (1979) wärmeliebend ist,
nur an sonnenexponierten Stellen auf, an Süd-
hängen, in lichten Gehölzen oder im Freiland.
Der Fundort bei Leimen-St. Ilgen hat dagegen
offenbar kein bevorzugtes Lokalklima. Hier ge-
nügt anscheinend das wärmere Großklima der
Oberrheinebene, um die Ansprüche des Pilzes
zu erfüllen.
Der Fundort bei Leimen-St. Ilgen liegt sehr iso-
liert. Die Suche an zahlreichen anderen schein-
bar geeigneten Plätzen in der Oberrheinebene
zwischen Walldorf und Niederingelheim blieb
erfolglos (vgl. W
interhoff
1981, 1983, 2003).
Die
Entfernung zu den nächsten bekannten rezenten
Fundorten in Brandenburg, an der niederländi-
schen Westküste (vgl. Karte in J
alink
1995)
und
in Niederösterreich beträgt etwa 480/450/575
km.
Da M. coliforme in Deutschland eine Rarität dar-
stellt und an den meisten früheren Fundorten
verschollen ist, wurde die Art in allen Bundeslän-
dern, in denen der Pilz bisher beobachtet wurde,
in die Roten Listen gefährdeter Pilze (B
enkert
1993,
S
chwik
&
W
estphal
1999,
T
äglich
2004,
W
interhoff
et al. 1984) als „verschollen“, „vom
Aussterben bedroht“ oder „selten“ aufgenommen.
A
rnolds
et al. (1995) geben für die Niederlande
als Rückgangsursache beschleunigte Entkal-
kung des Bodens und Vergrasung als Folge von
saurer Deposition an. Am Fundort bei Leimen-St.
Ilgen scheint der Siebstern durch menschliche
Aktivitäten nicht akut gefährdet zu sein. Da hier
aber offenbar nur ein einziges Myzel existiert, ist
zu befürchten, dass das Vorkommen durch un-
vorhergesehene Ereignisse oder durch Alterung
des Myzels erlöschen wird. In der Roten Liste
von Baden-Württemberg wäre die Art daher als
durch Seltenheit gefährdet“ (Kategorie R) einzu-
stufen.