Seite 8 - Carolinea 68

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carolinea, 68
(2010)
anstatt dem väterlichen Willen gemäß nach dem
Bachelor of Arts weiter zu graduieren und an­
glikanischer Landpfarrer zu werden, überredete
C
harles
seinen Vater mit Mühe und Not dazu, die
Forschungsreise auf der Beagle mitmachen zu
dürfen, die sein Leben und die Kultur der Neuzeit
grundlegend verändern sollte (1831-1836). D
ar
­
win
ging als traditonell-rechtgläubiger Christ an
Bord und kehrte mit Erkenntnissen und Präpara-
ten zurück nach England, auf deren Grundlage er
später die Evolutionstheorie entwickelte. Er hei-
ratete seine Cousine E
mma
W
edgwood
(
aus dem
Porzellanimperium) und zog 1841 nach Down
House, wo er bis zum Ende seines Lebens sess-
haft blieb, experimentierte, eine weit ausgreifende
Korrespondenz pflegte und seine Schriften ausar-
beitete. 1859 veröffentlichte er sein Buch über Die
Entstehung der Arten und 1871 Die Abstammung
des Menschen. 1876 begann er seine Autobiogra-
fie, die nur als Handschrift für die Familie gedacht
war. 1882 starb D
arwin
und wurde in Westminster
Abbey begraben (A
ltner
, 2003,
S. 18-28).
3.2
Die Theologie
D
arwins
D
arwin
hat in Cambridge einen berühmten The-
ologen jener Zeit studiert, nämlich W
illiam
P
a
­
ley
(1743-1805).
Eines seiner Hauptwerke war
die Natürliche Theologie, oder: Beweise für die
Existenz und Eigenschaften Gottes, aufgesam-
melt aus den Erscheinungen der Natur (P
aley
2006).
Der Darwinist und missionarische Atheist
R
ichard
D
awkins
spielt in seinem Buch Der blin-
de Uhrmacher (D
awkins
2008)
auf die auch sonst
oft zitierte Einleitung von P
aley
s Schrift an. Dort
beschreibt er einen Spaziergang in Hampstead
Heath: Würden wir in der Heide einen Stein auf
dem Weg sehen, würden wir uns darüber nicht
besonders wundern. Steine gibt es viele in der
Welt. Anders stünde es, wenn wir eine Uhr fän-
den. Angenommen, wir hätten noch niemals vor-
her einen solchen Gegenstand gesehen, so wür-
de er uns, anders als ein ordinärer Stein, durch
seine besondere Form auffallen. Wir könnten
das merkwürdige Ding näher untersuchen und
würden dabei feststellen, dass die Zeiger dem
Tageslauf der Sonne entsprechen, dass es sich
also um ein Zeitmessinstrument handeln muss,
was wir da gefunden haben. Und es wäre uns
evident: Dieser Gegenstand muss von jeman-
dem hergestellt worden sein, der sehr klug ist. Es
muss also irgendwo einen sehr weisen Uhrma-
cher geben. „The watch must have had a maker“
(
P
aley
, 2006,
S. 7f.).
Das ist die bekannte erste Prämisse des phy-
sikotheologischen Gottesbeweises: Alles, was
geordnete Strukturen besitzt, muss von irgend-
jemandem geordnet worden sein. P
aley
hat
nun in seinem Buch Hunderte von naturwissen-
schaftlichen Beobachtungen gesammelt, die als
Belege für die zweite Prämisse dienen können:
Die Welt zeigt geordnete Strukturen. Um nur ein
Beispiel zu geben: P
aley
beschreibt, wie Insek-
ten, alleine durch ihren angeborenen Instinkt
geleitet, ihre Eier in genau der bestimmten Um-
gebung ablegen, in der die Jungen, wenn sie ge-
schlüpft sind, das zu ihnen spezifisch passende
Futter finden (P
aley
, 2006,
S. 163f.). Um sein
­
Bachelor-Examen zu bestehen, musste D
arwin
P
aley
s Schriften kennen, und er berichtet von
sich, dass er hier gründliche Arbeit geleistet und
sich über P
aley
genauso begeistert habe wie
über die Geometrie des E
uklid
.
Ich zerbrach mir damals nicht den Kopf über die
Angemessenheit von P
aley
s Voraussetzungen;
ich nahm sie unbesehen hin und war von seiner
langen Argumentationskette bestrickt und über-
zeugt“ (D
arwin
2008
a, S. 68).
1828
habe er noch nicht im mindesten daran ge-
zweifelt, dass jedes Wort in der Bibel im strengen
Sinn und buchstäblich wahr sei. Deswegen habe
er sich schnell davon überzeugen lassen, “daß
unser Glaubensbekenntnis uneingeschränkt ak-
zeptiert werden müsse“ (D
arwin
2008
a, S. 65).
D
arwin
glaubte also als junger Student noch so,
wie heutige Fundamentalisten glauben wollen.
Dies ist auffallend, weil ja schon damals diese
christliche Position nicht mehr die alleine maßge-
bende war. Offensichtlich ist in D
arwin
s Umkreis
die theologische Differenzierung zwischen Bi-
beltext und historischer Gottesoffenbarung nicht
wahrgenommen worden. Tatsächlich lag die reli-
giöse Erziehung D
arwin
s in den Händen seiner
Mutter, später seiner Schwester. Diese gehörten
einer konservativen Gruppierung des angelsäch-
sischen Christentums an, während D
arwin
s Va-
ter Skeptiker war (A
ltner
, 2003,
S. 18-20).
An C
harles
D
arwin
s religiöser Einstellung änder-
te sich bis zum Antritt der Forschungsreise auf
der Beagle nichts wesentlich:
An Bord der Beagle war ich ganz orthodox, und
ich weiß noch, wie etliche Schiffsoffiziere (auch
wenn sie ihrerseits orthodox waren) laut über
mich lachten, weil ich die Bibel als unanfechtbare
Autorität in einer Frage der Moral zitierte“ (D
ar
­
win
2008
a, S. 94).
Diese Charakterisierung ist insofern interessant,
als sie zeigt, dass D
arwin
mit Offizieren zusam-