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carolinea, 69
(2011)
Der Nestor der deutschen Zoologen F
ranz
[
von]
L
eydig
(*21.05.1831; † 11.04.1908)
an der Jahr-
hundertwende 19./20. Jh. hat eine Würdigung
der Verdienste früherer Naturforscher in seinem
bemerkenswerten Band „Horae Zoologicae – Zur
vaterländischen Naturkunde ergänzende sach-
liche und geschichtliche Bemerkungen“ (1902)
wie folgt begründet: „Wer historischen Sinn hat,
blickt gern zurück auf den Werdegang eines
Wissenschaftszweiges, der unsre Theilnahme
erweckt hat, nicht bloss, um Aufklärung zu er-
halten, wie im Grossen und Ganzen die Entwi-
ckelung vor sich ging, sondern gerade auch mit
Rücksicht auf die Frage, welchen Antheil die
Forscher der engeren Heimath an der Ausbil-
dung und Pflege einer uns näher angehenden
Disziplin genommen haben. Für uns taucht da
gar manche Persönlichkeit aus der Vergangen-
heit auf, deren Andenken zwar verweht ist („velut
vento fumus“), die aber durch Lebensumstände,
Charakter, Art und Weise sich mit der Wissen-
schaft zu befassen, auch jetzt noch unsere Ach-
tung und Neigung gewinnt. Es macht Vergnügen,
den Spuren von diesem oder jenem Beobachter,
der halb oder ganz in Vergessenheit gesunken
ist, nachzugehen, umso mehr als man auch in
der litterarischen Geschichte, ganz wie in der
politischen, gar so häufig die Verdienste nach
Gunst und Ungunst zurecht gestellt sieht.“
R
aphael
S
lidell
Freiherr
von
E
rlanger
gehörte
der Frankfurter Bankiersfamilie der Freiherren
von
E
rlanger
an, der das Bankhaus E
rlanger
&
Söhne in Frankfurt am Main gehörte. Er zählte
zur sog. Pariser Linie (D
rüll
1986,
M
endelsohn
2005,
S
chulz
-
P
arthu
1997).
Sein Vater war E
mile
F
rédéric
Freiherr
d
É
rlanger
(*19.06.1832
Frank-
furt am Main; † 22.5.1911 Versailles), ein glo-
baler Eisenbahn-Finanzier aus Frankfurt (dieser
schloss seine erste Ehe am 30.06.1858 in Paris
mit O
dette
L
ouise
F
lorence
L
afitte
, *20.06.1840
Paris; nach 1931 gestorben). Seine zweite, ame-
rikanische Ehefrau M
arguérite
M
athilde
S
lidell
(19.11.1842; † 18.02.1927
Paris) heiratete er am
03.10.1864
in Paris. Sie war die Tochter von J
ohn
S
lidell
(*1793, † 29.07.1871)
der amerikanischer
Botschafter am Hofe Napoleons III, des Kaisers
von Frankreich, war.
Professor Dr. R
aphael
Freiherr
d
E
rlanger
hei-
ratete die „…beautiful Miss. M
arie
K
arola
F
ran
-
ziska
R
oselyne
B
lennerhassett
(*05.01.1876
in London; † 29.06.1963 [? St. Merryn, Corn-
wall])…“, die Tochter des irischen Schriftstel-
lers und Politikers Sir R
owland
B
lennerhassett
(*05.09.1839, † 22.03.1909).
Aus der Ehe ging
der Sohn ­H
enry
R
oland
C
asimir
(
H
arry
)
Freiherr
d
E
rlanger
hervor (*24.11.1895 Sommerley,
Hampshire; † 01.01.1937 Lombasco/ bei einem
Flugzeugabsturz). R
aphael
von
E
rlanger
diente
als Einjähriger [= Freiwilliger] beim 2. Garde-
dragoner Regiment in Berlin, wurde aber nach
vier Monaten wegen Krankheit entlassen. Er
kam aus dem französischen Zweig der großen
Fam­ilie
d
É
rlanger
,
zu der auch der bekannte
Ingelheimer Ornithologe und Afrikaforscher Dr.
phil. C
arl
V
iktor
H
einrich
Freiherr
von
E
rlanger
(*05.09.1872
Nieder-Ingelheim; † 14.09.1904
Salzburg) gehört (G
ebhardt
1964,
siehe auch
H
ildebrand
2004,
M
endelsohn
2005,
S
chulz
-
P
ar
-
thu
1997).
Später erweiterte R
aphael
Freiherr
von
E
rlanger
seinen Familiennamen um den
Mädchennamen seiner amerikanischen Mutter
(
der zweiten Frau seines Vaters É
mile
F
rédéric
Freiherr
d
É
rlanger
): „
S
lidell
“.
Vita
(
Abschrift aus der Akte H-V-1-3 des Archivs der
Universität Heidelberg.) „Ich, R
aphael
S
lidell
Freiherr
von
E
rlanger
,
bin am 23. Juli 1865 zu
Paris geboren. Ich bin katholischer Konfession
und preußischer Staatsangehöriger. Nach sie-
benjährigem Besuch der École libre de la rue de
Madrid zu Paris bestand ich den 13. Juli 1883
die Prüfung des Baccalauréat ès Lettres auf der
Sorbonne, nach zweijährigem Besuch der Prima
der Wöhlerschule in Frankfurt a. M. die Maturi-
tätsprüfung den 17. September 1885, und er-
langte schließlich das Zeugnis der Reife auf dem
Gymnasium zu Gießen den 12. August 1886. Ich
studirte darauf ein Semester Medicin zu Bonn [=
WS 1886/87], wo ich bei Prof. von
la
V
alette
S
t
.
G
eorges
,
C
lausius
,
K
ékulé
,
L
eydig
,
Dr. B
arfurth
und M
artius
hörte. Ich zog darauf nach Heidel-
berg, wo ich vom Sommersemester 1887 bis
zum Schluß des Sommersemesters 1888 blieb.
Ich hörte bei den Professoren B
ütschli
,
G
egen
-
bauer
,
B
unsen
,
P
fitzer
,
Q
uinke
,
K
ühne
,
R
üge
,
E
wald
und B
lochmann
.
Im Wintersemester 1888-
1889
begab ich mich nach Berlin, wo ich bei Prof.
H
ertwig
das embryologische Praktikum belegte,
und kehrte dann wieder nach Heidelberg zurück,
wo ich seitdem blieb und mich speciell mit Zoolo-
gie befaßte. Ich arbeitete bei Prof. B
ütschli
,
P
fit
-
zer
,
K
rafft
und A
ndreae
.
Ich habe, seitdem ich
im Sommer 1888 von der Medicin zur Zoologie
übertrat, folgende schon veröffentlichte Arbeiten
verfasst: