Carolinea 73

110 Carolinea 73 (2015) Besonders hervorzuheben ist die Beschreibung von Stephanitis lauri ( R ietschel 2014), einer bis- her nicht bekannten Tingiden-Art, die zunächst auch als endemisch für Kreta gilt. Bemerkens- wert ist ebenso der Neunachweis von drei bis- her aus Europa nicht bekannten Arten. Bei Bra- chycarenus languidus und Eurydema blanda fanden sich die bisher westlichsten Fundorte in Zentralanatolien. Es lässt sich zur Zeit nicht ent- scheiden, ob beide Arten bisher nur übersehen, mit Brachycarenus tigrinus bzw. mit Eurydema ventralis verwechselt wurden, oder ob sie ihr Ver- breitungsareal erweitert haben. Weniger überra- schend ist der Fund der winzigen Miride Singha- lesia turcica die die Verbreitungslücke zwischen Nordafrika und Kleinasien schließt. Die vier für Griechenland neuen Arten sind al- lesamt Miriden und in benachbarten Ländern nachgewiesen, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis diese Arten auch in Griechenland gefunden wurden. Allein 18 der neu für Kreta nachgewiesenen Ar- ten sind Miriden. Viele dieser Arten haben nur kurze Imaginalzeiten, und daher ist es oft dem Zufall zu verdanken, dass diese innerhalb eines kurzen Aufenthaltes in einem Gebiet nachgewie- sen werden oder nicht. Sechs Tingidenarten sind neu für Kreta. Oft sind diese auf eine Pflanzen- gattung oder nur eine einzige Pflanzenart spezi- alisiert, wenig fluglustig und werden daher erst durch gezielte Nachsuche an befallenen Pflan- zen nachgewiesen. Es überrascht, dass Arten, die in ganz Europa sehr häufig und auch im gesamten Mittelmeerge- biet weit verbreitet sind, zuvor noch nicht für Kreta nachgewiesen wurden. In diese Gruppe gehören immerhin 9 Arten: Deraeocoris ruber , Orthops campestris , Megaloceroea recticornis , Halticus luteicollis , Amblytylus nasutus , Nysius senecio- nis , Coriomeris denticulatus und Cyphostethus tristriatus . Um zu entscheiden, ob diese bisher nur übersehen wurden, oder durch den zuneh- menden lokalen und globalen Handel erst in den letzten Jahren eingeschleppt wurden, müssten ältere Aufsammlungen aus Kreta in den Museen ausgewertet werden. Alle diese Arten sind in Europa auch in landwirtschaftlich genutzten Flä- chen, besonders Brachen, häufiger anzutreffen. Es könnte daher auch sein, dass diese Arten vor der Intensivierung der Landwirtschaft sehr selten waren, nun aber deutlich bessere Bedingungen vorfinden und deswegen heute sehr viel häufiger vorkommen. Diese Befunde und die hohe Zahl (14 %) an Erstnachweisen durch unsere Auf- sammlungen deuten darauf hin, dass noch viele weitere Arten auf Kreta ihrem Erstnachweis oder auch ihrer Erstbeschreibung harren. Geologie und Zoogeographie Kreta ist die südlichste Insel im Zentrum des Süd- ägäischen Inselbogens, der, sich von Kythira bis nach Rhodos erstreckend, die ägäische Inselwelt im Süden von der mehr als 300 km entfernten Küste Afrikas trennt. Noch im Miozän, vor ca. 20 Millionen Jahren, war das Gebiet der heutigen Ägäis festes Land wie terrigene und fluviatile Se- dimentabfolgen zeigen. Im jüngeren Miozän (Tor- ton: vor 11,2 – 7,24 Mio. Jahren) zerbrach dieses Festland in Blöcke und wurde überflutet. Schließ- lich ragte nur noch eine Inselwelt aus dem neuen Ägäischen Meer. Ursache dieser Ereignisse wa- ren die großtektonischen Bewegungen zwischen der Afrikanischen Platte im Süden und der Eu- rasiatischen Platte im Norden. Als Teilstück der Eurasiatischen Platte schob und schiebt sich die Ägäische Mikroplatte in südwestlicher Richtung über den libyschen Bereich der Afrikanischen Platte, die in einer Gegenbewegung unter diese nach Nordosten subduziert. Die Inseln des Süd­ ägäischen Inselbogens sind sozusagen die „Bug- welle“ der Ägäischen Mikroplatte, hinter der im Norden das Kretische Becken, ein über 1.000 m tiefer Graben, liegt. An diesen schließen nördlich die Inseln des Ägäischen Vulkanbogens mit der bekannten Vulkaninsel Santorin (Thira) an. Die relative Bewegungsrate zwischen der Ägäischen Mikroplatte und der Afrikanischen Platte beträgt jährlich 4 bis 5 cm ( ten V een & P ostma 1999). Nach dem Meereseinbruch im Torton bestand Kreta im Messinium (vor 7,24 – 5,33 Mio. Jah- ren) aus zwei oder mehr Inseln, was marine und terrigene Ablagerungen in enger räumlicher und zeitlicher Nachbarschaft nahelegen. Hebungen und Senkungen des Inselbereiches wechselten miteinander ab. Als gegen Ende des Miozän das Mittelmeer durch eine zwischen Afrika und Spa- nien gelegene Landbrücke vom Atlantik abge- schnitten war, kam es zur „Messinischen Salini- tätskrise“. Mit Algenriffen, Kalkablagerungen und Evaporiten setzte vor etwa 6 Mio. Jahren in meh- reren Phasen die Verlandung großer Teile des Mittelmeeres ein. Die letzte festländische Phase endete an der Wende zum Pliozän vor 5,33 Mio. Jahren mit einem Meereseinbruch vom Atlantik her. Durch fortschreitende Erosion der Straße von Gibraltar wurde das Mittelmeer in wenigen Jahrhunderten vollständig mit Atlantikwasser ge- flutet (s.a. J akobshagen 1887).

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=