Carolinea 73
H eckmann et al.: Die Heteropterenfauna Kretas 111 Im Pliozän (vor 5,33 – 1,8 Mio. Jahren) wurde Kreta in der marinen, nachmessinischen Zeit um 1.000 – 2.000 m als Inselgruppe aus dem Meer herausgehoben und blieb seit ca. 2 Mio. Jahren landfest. Seit dieser Zeit bestand zwischen der Insel und sowohl dem griechischen als auch dem kleinasiatischen Festland offensichtlich kei- ne durchgehende Landverbindung mehr. Vom griechischen Festland (Südspitze der Halbinsel Peloponnes: 100 km) und von Kleinasien (West- spitze der Halbinsel Datça: 180 km) trennen die bis mehr als 1.000 m tiefen Meeresgebiete des Kretischen Beckens die heutige Insel von euro- päischen und kleinasiatischen Festland. Nach Süden trennt das Libysche Meer mit Tiefen von mehr als 4.000 m Kreta vom etwa 300 km ent- fernten Afrika. Nur während der Kaltzeiten des Pleistozäns (vor 1,8 – 0,1 Mio. Jahren) gab es Zeiten sehr niedrigen Meeresspiegels, die es gelegentlich Pflanzen und Tieren des glazial geprägten Fest- landes ermöglichten, über Inselbrücken oder sumpfige Flachmeerbereiche von Norden oder Osten her direkt nach Kreta zu gelangen. In der Kritimys -Zeit (vor 850.000 – 380.000 Jah- ren) des Altpleistozäns kamen Elefanten und Flusspferde von Norden auf die Insel und entwi- ckelten dort inseltypische Zwergformen ( Hippo- potamus creutzbergi, Mammuthus creticus ). In der Mus-minotaurus -Zeit (vor 150.000 – 20.000 Jahren) im Jungpleistozän waren es Hirsche ( Candiacervus sp.), die auf die Insel gelangten und dort in der Isolation acht verzwergte Unter- arten entwickelten. Bei beiden nachgewiesenen pleistozänen Besiedelungsphasen gelangten somit nur solche Großtiere auf die Insel, die sie aktiv schwimmend über Flachmeer oder als Inselhüpfer erreichen konnten. Die Namen ge- benden Mäuse dürften passiv auf Treibgut an- geschwemmt worden sein und zeichnen sich durch insulares Größenwachstum aus. Raub- tiere erreichten die Insel im Pleistozän nicht. Die beiden Ereignisse in der Besiedelung Kretas im Pleistozän mit Großtieren (mit Verzwergungsten- denz), Nagern und Insektenfressern (mit Grö- ßenwachstum) haben Parallelen auf anderen Inseln des Mittelmeers wie auch in der Karibik und im Malaischen Archipel. So konnten sich während der letzten 2 Millio- nen Jahre, ausgehend von der im Altpleistozän vorhandenen mediterranen Flora und Fauna, auf Kreta zahlreiche endemische Arten isoliert entwickeln. Ihre Entstehung wurde durch die blockhafte, topografische Gliederung Kretas mit hohen Gebirgen (bis 2.456 m ü. M.) und dazwi- schen liegenden, von Grabenbrüchen geprägten Hochflächen sowie von tiefen Schluchten be- günstigt. Örtlich begrenzte Vorkommen lokaler Endemiten hängen zudem mit der Vielfalt des geologischen Untergrundes zusammen: Auf al- tem, paläozoischem Grundgebirge türmen sich, oft nur in kleinräumigen Schuppen und Spänen, mehrere Gesteinsdecken aus der Tiefe auf. Ihr unterschiedlicher Grad der Metamorphisierung lässt die Dynamik erkennen, mit der sich hier die Ägäische Mikroplatte auf die Afrikanische Plat- te aufschiebt und Gesteine aus dem nördlich liegenden Ägäischen Trog ans Tageslicht bringt. Die unterschiedliche Petrographie der häufig kal- kigen, teils sandigen, schiefrigen, phyllitischen und kristallinen Gesteinskomplexe ist für die Viel- falt der pflanzlichen Standorte und damit auch vieler Insekten mit verantwortlich. Da die Heteropteren als Pflanzensauger auch von Bodenart und lokalem Groß- und Kleinklima abhängen, sind ihre örtlichen Artenspektren und ihre biogeographische Verteilung auf der Insel besonders interessant. Die bisher beschriebenen Funde und die neueren Aufsammlungen der drei Autoren sollten für weitere Untersuchungen eine Anregung und Basis bilden. Dank Unserem Freund Dr. C hristian R ieger (Nürtingen) sind wir für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und den Zugang zu älterer schwer zu besorgender Literatur zu großem Dank verpflichtet, ebenso für die Erlaubnis zur Verwendung der Photos der Vesikae der Heterocapil- lus -Arten. Herrn Dr. H arald Z iegler danken wir posthum für die Erlaubnis, seine in Kreta gesammelten Wanzen- Beifänge bestimmen und publizieren zu dürfen. Für die Erlaubnis, die Funde von Heterocapillus perpusillus vom griechischen Festland mitteilen zu dürfen, danken wir Dr. C hristian R ieger und Dr. H annes G ünther , beiden auch für die Bestimmung kritischer Arten. Herrn Dr. B erend A ukema danken wir für das Bereitstellen von schwer zugänglicher Literatur und Herrn D any B ollano für die Übersetzung der Kurzfassung ins Neugriechische. Unse- ren Frauen danken wir für die Geduld mit ihren, durch die Abfassung dieser Arbeit absorbierten Männern. Nachtrag Seite 93. Campylomma simillimum J akovlev , 1882 (22) 1 ( RI Erstnachweis für Griechenland. C. simillimum wurde von W agner (1975) als irano-turanisch verbreitet aufgefasst. Später wurde die Art in Eu- ropa auch auf dem Balkan in Bulgarien, Serbien, der Ukraine und Ungarn nachgewiesen. Die Weibchen sind gut daran erkennbar, dass das
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