Carolinea 73

M üller -H aug & A ly : Naturschutzgebiet Nüstenbachtal 161 nebeneinander verschiedenste Lebensbedin- gungen, hoher Strukturreichtum und dadurch eine erstaunliche Vielfalt an Pflanzen- und Tier- arten. So finden in den zahlreichen Hohlräumen zwischen den ohne Bindemittel aufgeschichteten Steinen beispielsweise Zauneidechse ( Lacerta agilis ) oder Schlingnatter ( Coronella austriaca ), aber auch Spinnen und Insekten Unterschlupf. Durch das besondere Kleinklima der Mauern be- günstigt, können hier auch speziell angepasste Pflanzen wie Mauerpfeffer ( Sedum sp.) und Ar- ten der Pionierrasen oder Felsköpfe leben. Der ausgedehnte Lesesteinriegel am Sohlberg wurde durch Pflegearbeiten wieder freigestellt und bietet nun einen zusätzlichen ökologisch wertvollen trockenheißen Sonderstandort im Gebiet. Als zweite Besonderheit im Naturschutz- gebiet kann die Doline (Abb. 7) im nördlichen Nüstenbachtal angesprochen werden. Dolinen entstehen dort, wo sich im Untergrund Kalk- gestein (hier: Muschelkalk) befindet, der durch das grundsätzlich leicht sauer reagierende Re- genwasser gelöst und abtransportiert wird. Mit der Zeit kann sich so ein Trichter in der Land- schaft bilden, in dem durch sog. Schlucklöcher am Grund der Doline Oberflächenwasser in das Grundwasser gelangt. Dolinen bilden meist Sonderstandorte, da sich die boden- und kleinklimatischen Verhältnisse von der umgebenden Feldflur unterscheiden. So kann bspw. in Kalkgebieten der Boden in Dolinen bereits basenfrei sein, außerdem sind sie (bei größerem Ausmaß) kleinräumige Kaltluftsam- melbecken, wodurch sich andere Pflanzenge- sellschaften als im umliegenden Bereich etablie- ren. Meist unterliegen Dolinen so gut wie keiner Nutzung, dadurch können sich im Lauf der Zeit Bäume und Sträucher ansiedeln - die Dolinen wirken dann in der Landschaft wie Feldgehölze. Dies ist auch im Nüstenbachtal der Fall; erst bei genauerem Hinsehen fällt der Erdtrichter auf. Hier kommt der Doline eine ähnliche ökologische Bedeutung wie Hecken oder Feldgehölzen zu. Da die Trichterwände selten oder überhaupt nicht gemäht werden, siedeln sich Hochstaudenfluren mit Brennnesseln, Himbeeren und Doldenblüt- lern an, die ihrerseits Lebensraum und Nahrung für Vögel, Insekten und andere Kleintiere bieten. Die Entwicklung der Avifauna im Nüstenbachtal ist über das Brutvogelmonitoring Baden-Würt­ temberg dokumentiert, das im Auftrag des Bun- desamtes für Naturschutz für das „Monitoring von Vogelarten in der Normallandschaft“ auf Daten eh- renamtlicher Erhebungen auf Stichprobenflächen von 1 km 2 Rastergröße basiert. Das Nüstenbachtal stellt eine dieser Stichprobenflächen dar; das Mo- nitoring dokumentiert verlässliche Nachweise der Vorkommen über einen langen Zeitraum. Abbildung 6. Die Trockenmauern im Gebiet zeugen von der ehemaligen Nutzung – heute sind sie wertvolle Lebens- räume. – Foto: B. M üller -H aug , 07.08.2012

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