Carolinea 73

164 Carolinea 73 (2015) Verantwortung tragen und „besondere Schutz- gebiete ausgewiesen werden müssen“ (Ministe- rium für Ernährung und Ländlichen Raum 2003). Das Vorkommen im Nüstenbach ist eines der letzten im nördlichen Baden-Württemberg. Bei einer Bestandaufnahme im Jahre 2008 konn- ten auf gesamter Länge des Nüstenbachs acht Exemplare gefunden werden ( K appus 2008). Im Jahr 2012 konnten sich die Teilnehmer an ei- ner unserer Führungen von seinem Vorkommen überzeugen. Der Steinkrebs ist ein typischer Bewohner kalter, schnell fließender, sauberer Bäche mit steinigem Sediment. Die – wie alle Flusskrebse – nacht­ aktive Art nutzt Verstecke unter größeren Stei- nen, aber auch in Wurzelbereichen und selbstge- grabenen Höhlen. Im Winterhalbjahr graben sich die Tiere tief in die Uferböschung oder in den Gewässergrund und verlassen diese Verstecke erst wieder im Frühjahr. Die vorhandenen Bestände sind meist klein und isoliert und sind daher stark gefährdet. Stein- krebse sind sehr empfänglich für die Krebspest – eine Infektion kann den gesamten Bestand ver- nichten ( C hucholl & D ehus 2011). Einerseits sollte die Durchgängigkeit des ge- samten Nüstenbachs für die Ausbreitung der Art gewährleistet sein, andererseits muss zur Ver- hinderung des Einwanderns fremder Krebsarten (und damit der Krebspest) im Ortsbereich von Mosbach mindestens eines der bestehenden Querbauwerke unbedingt erhalten bleiben. Unter den im Gebiet vorkommenden Käfern ist der Hirschkäfer ( Lucanus cervus ) mit einer Län- ge von bis zu 8 cm der größte heimische Käfer. Vor allem die Männchen sind mit ihren namens- gebenden geweihartigen Zangen unverwechsel- bar. Die Art benötigt Wälder mit Beständen von Alt- und Totholz als Lebensraum. Alte oder abster- bende Eichen bzw. deren Baumstümpfe sind von besonderer Bedeutung: Die Hirschkäferlarven sind für ihre fünf- bis achtjährige Entwicklung auf möglichst große, morsche Stubben angewiesen, in denen sie feuchtes und von Pilzen zersetztes Holz fressen. Ausgewachsene Käfer wiederum ernähren sich vom Baumsaft alter Eichen, der an Wundstellen der Rinde wie bspw. an Frostrissen austritt. Auch alte Obstbaumwiesen in Waldnä- he können vom Hirschkäfer besiedelt werden, dies trifft auf den Bereich östlich von Nüstenbach Richtung Waldstadt zu. Der Hirschkäfer ist inzwi- schen sehr selten geworden, in vielen Gegenden Deutschlands und auch in Baden-Württemberg ist er bereits verschwunden. Daher gilt die Art deutschlandweit als stark gefährdet, in Baden- Württemberg als gefährdet. Schutzwürdigkeit Das geplante Naturschutzgebiet „Nüstenbachtal“ ist aufgrund seiner Ausstattung mit Arten und Biotoptypen von landesweiter Bedeutung ( R eck 1996). Diese Einstufung begründet sich durch die Vorkommen einer vom Aussterben bedrohten Art (das Graue Langohr Plecotus austriacus ), zwölf stark gefährdeter Arten (Bie- nen- und Hummelragwurz Ophrys apifera und O. holoserica , Wendehals Jynx torquilla , Graues Langohr Plecotus austriacus , Mopsfledermaus Barbastella barbastellus , Steinkrebs Austropota- mobius torrentium, Hirschkäfer Lucanus cervus , Kurzschwänziger Bläuling Cupido argiades , Gro- ßer Feuerfalter Lycaena dispar , Wegerich- und Roter Scheckenfalter Melitaea cinxia und M. di- dyma , Flockenblumen-Grünwidderchen Adiscita globulariae ), und zahlreicher gefährdeter Arten. Mit dem hohen Anteil von insgesamt 53 ha (35 % des gesamten Schutzgebietes und 89 % der Of- fenlandbiotope) kommt den mageren Flachland- Mähwiesen eine besondere lokale Bedeutung zu. Dieser Wiesentyp erlebt derzeit als Grün- landnutzungsform einen starken Rückgang. Der rapide Niedergang hat, über den botanischen Verlust hinausgehend, nicht abschätzbare Aus- wirkungen auf die Fauna dieser Lebensge- meinschaft. In keinem anderen Schutzgebiet im Neckar-Odenwald-Kreis existiert eine so große zusammenhängende Fläche mit einem so hohen Anteil gut ausgeprägter, artenreicher mageren Flachland-Mähwiesen. Die hohe Vielfalt an Lebensräumen unter­ streicht weiter die naturschutzfachliche Bedeu- tung und Schutzwürdigkeit: Insgesamt konnten 25 Biotoptypen nachgewiesen werden, von de- nen 20 in Baden-Württemberg gefährdet sind oder auf der Vorwarnliste zur Roten Liste geführt werden ( B reunig 2002). Der Artenreichtum resultiert aus der Vielzahl der Biotope, die mosaikartig über das Gebiet verteilt und durch teils fließende Übergänge mit- einander vernetzt sind. Der Talbereich ist durch den Nüstenbach mit allen typischen Lebensräumen der Aue – Au- wald, nährstoffreichen Feuchtwiesen und Hoch- staudenfluren – geprägt. Im Hangbereich finden sich teils magere, blütenbunte Wiesen bis hin zu Halbtrockenrasen in steilen, südseitigen Lagen mit Arten aus submediterranem und alpinem

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