Carolinea 73

32 Carolinea 73 (2015) logischen Vernetzungen einzelner Arten genau zu verstehen. Ein besonders komplexes Beispiel ist die Vergesellschaftung von Bläulingsraupen mit Ameisen (Hymenoptera: Formicidae), die sogenannte Myrmekophilie. Dabei reichen die wechselseitigen Beziehungen mit Ameisen von lockeren Assoziationen (fakultative Symbiose: Raupe mit Ameisengarde) bis hin zum obligaten Parasitismus (Leben der Raupe im Ameisennest). Das enge Zusammenspiel zwischen Raupen, Wirtspflanzen und Ameisenpartnern spielt eine entscheidende Rolle für den langfristigen Fort- bestand solcher Bläulingsarten. Die vorliegende Studie hat sich entsprechend zumZiel gesetzt, die biologisch-ökologischen Kenntnisse als Grundla- ge für den Schutz von acht myrmekophilen Bläu- lingsarten zu schaffen, welche für das Tauberland und die angrenzenden Regionen charakteristisch sind: Glaucopsyche alexis (Alexis-Bläuling), Po­ lyommatus eumedon (Storchschnabel-Bläuling), Polyommatus daphnis (Zahnflügel-Bläuling), Polyommatus amandus (Vogelwicken-Bläuling), Polyommatus thersites (Esparsetten-Bläuling), Plebejus argus (Argus-Bläuling), Maculinea arion (Thymian-Ameisenbläuling) und Maculinea alcon X (Enzian-Ameisenbläuling; hier behandelt ist der Kreuzenzian-Ökotyp, welcher früher als eigene Art, Maculinea rebeli , angesehen wurde, vgl. T artally et al. 2014, Tab. 1). Alle genannten Arten sind landesweit in ihrem Bestand bedroht und wurden auf Grundlage der LDS-BW und der Roten Liste der Großschmetterlinge Baden- Württembergs ausgewählt. Sie wurden im Tau- berland noch nach 1990 gemeldet. In der heimischen Fauna finden sich bei den Bläulingen am häufigsten die fakultativ myrme- kophilen Beziehungen, bei denen die Raupen regelmäßig (vor allem im letzten Larvenstadi- um) von Ameisen besucht werden. Dabei erhal- ten die Ameisen ein von der Raupe zu diesem Zweck produziertes Futtersekret, und die Rau- pen genießen einen gewissen Schutz durch die Ameisengarde (Symbiose; P ierce & M ead 1981, P ierce & E asteal 1986). Dieser Fall ist bei den Arten G. alexis , P. eumedon , P. daphnis , P. aman­ dus und P. thersites verwirklicht ( F iedler 2006). Die Ameisenbindung ist bei den fakultativ myr- mekophilen Arten relativ unspezifisch in Bezug auf die Ameisenart, wenngleich hier noch einiger Forschungsbedarf besteht. Im Gegensatz dazu stehen die Raupen anderer Bläulingsarten in so starker Abhängigkeit zu bestimmten Ameisen, dass sie ohne die Ameisen nicht eigenständig überleben könnten. So ist P. argus obligatorisch mit Wegameisen der Gattung Lasius assoziiert. Im Falle der Ameisenbläulinge aus der Gattung Maculinea hat sich die Bläulings-Ameisenbezie- hung bis hin zum Parasitismus entwickelt, wo- bei sich die Raupe im Ameisennest entwickelt und sich dort räuberisch von der Ameisenbrut ernährt (z.B. M. arion ) oder von den Ameisen gefüttert wird („Kuckucksart“, z.B. M. alcon ). Die Maculinea -Arten leben in den frühen Larvensta- dien vegetarisch an bestimmten Wirtspflanzen, später werden sie dann von Knotenameisen der Gattung Myrmica in deren Nester aufgenommen. Folglich sind die Bläulinge neben den Ameisen zusätzlich an bestimmte Nahrungspflanzen ge- bunden, ähnlich wie es auch bei anderen Tag- faltern die Regel ist. Diese komplexen Anpas- sungen an ihren Lebensraum (Wirtspflanzen und Ameisenpartner) machen die meisten Bläulinge zu ökologischen Spezialisten, wodurch sie be- sonders empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren und in der mitteleuropäischen Kultur- landschaft oft stark gefährdet sind. Nur präzise Kenntnisse der regionalen Lebens- gewohnheiten bestimmter Tierarten machen ei- nen effektiven Schutz möglich, denn Angaben aus anderen Teilen ihrer Verbreitungsgebiete sind nur begrenzt übertragbar. Ein Hauptaugen- merk der Untersuchungen lag daher auf den Besonderheiten der Lebensraumansprüche der Bläulingsarten in der Region, um ihre Erhaltung durch geeignete Biotoppflege zu ermöglichen. Da die Vorkommen bereits auf viele kleinflächige Bereiche zusammengeschrumpft sind, muss zu- dem das Netzwerk von Biotopen zur Erhaltung der genetischen Vielfalt verbessert werden (Bio- topverbund). Der Kommunale Landschaftspflege- verband Main-Tauber e.V. und der Landschafts- erhaltungsverband Neckar-Odenwald-Kreis e.V. sind maßgeblich an der Umsetzung der Pflege- maßnahmen für die wertvollen Trockengebiete im Tauberland und im Nördlichen Bauland betei- ligt. Die neuen Erkenntnisse sollen auch direkt in die Naturschutzbemühungen des Landes Ba- den-Württemberg einfließen. Seit 1993 läuft das Artenschutzprogramm Schmetterlinge (ASP) unter der Obhut der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW). Mit dieser Veröffentlichung werden (1) die aktu- elle Bestandssituation von acht myrmekophilen Bläulingsarten im Tauberland und im Nördlichen Bauland detailliert beschrieben, (2) die Biologie und Ökologie, insbesondere der Präimaginalsta- dien und ihre Beziehungen zu Ameisen, darge- stellt und regionale Besonderheiten hervorge-

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