Carolinea 74

106 Carolinea 74 (2016) richt dieser „Erdbeben-Commission“ lag bereits 1881 vor und wurde in den „Verhandlungen…“ Band 8, S. 197-264 zusammen mit einer Land- karte, welche alle Effekte des Bebens verzeich- net, publiziert. In diesem Zusammenhang stehen auch die Horizontalpendel-Versuche von E rnst von R ebeur -P aschwitz , der, wie dem Protokoll der 334. Sitzung des NWV (1886) zu entnehmen ist, größere Finanzmittel erhielt und in der 342. Sitzung 1887 über seine Versuche berichtete. Im Jahr 1904 erfolgte durch den NWV das Aufstel- len solcher Horizontalpendel in einem Stollen im Turmberg bei Durlach und im Felsenkeller unter dem Schlossberg in Freiburg. In dieser geregelten Phase des NWV ist jedoch auch der Krieg von 1870/71 spürbar. In den „Ver- handlungen…“ ist in Band 5 (1871), S. V-XVI zu lesen: „Das Interesse wurde absorbiert durch die gewaltigen Ereignisse, welche sich jenseits des Rheines abspielten…“. Die geregelte Pha- se ist aber auch die Zeit der engen Verbindung des NWV mit der Technischen Hochschule (TH) Karlsruhe und damit der naturwissenschaftlichen Entdeckungen von Weltruf. Auf der 368. Sitzung am 22. Februar 1889, an- wesend waren 60 Mitglieder, erklärte H einrich H ertz (siehe Ausstellungstexte) in einem Vortrag über „Beziehungen zwischen Licht und Elektrizi­ tät“ die Existenz und Ausbreitung elektromagne- tischer Wellen. Am 24. Februar 1889 schrieb er in einem Brief an seine Eltern: „Freitag, an meinem Geburtstage, habe ich einen größeren Vortrag im hiesigen NWV über die Sache gehalten, der nach allem, was ich höre, ein wirklicher Erfolg war, und ich werde jetzt auch in Karlsruhe be- kannt, zu spät!“ Da hatte H ertz schon einen Ruf an die Rheinische Friedrich-Willhelms-Univer­ sität in Bonn angenommen. F ritz H aber (siehe Ausstellungstexte) befasste sich ab 1904 mit der katalytischen Bildung von Ammoniak aus den Elementen: 3H 2 + N 2 ⇌ 2NH 3 . Während andere Wissenschaftler seiner Zeit die Ammoniaksynthese für wirtschaftlich nicht lohnend hielten, setzte H aber seine Unter- suchungen mit Unterstützung der BASF fort, und Mitte 1909, als erstmals synthetisches Ammo- niak aus der Karlsruher Versuchsapparatur trat, war das Problem gelöst. Schließlich produzierte 1913 die erste Ammoniakfabrikationsanlage täg- lich 25 t NH 3 , 1919 erhielt H aber den Nobelpreis für Chemie. Diese Zeit der großen Entdeckungen könnte man auch als „glanzvolle Zeit“ des NWV bezeichnen. Sie endet abrupt mit dem ersten Weltkrieg (28. Juli 1914 bis 11. November 1918). Der damals 37-jährige Schriftführer M ax A uerbach , der spä- ter noch eine sehr positive Rolle sowohl für den NWV wie auch für das Karlsruher Naturkunde- museum spielen sollte, hält im Band 27 der „Ver- handlungen...“ gemeinsam mit O. L ehmann für die Nachwelt fest: „Seitdem ist in Folge des Krieges nicht nur beim naturwissenschaftlichen, sondern auch bei anderen Vereinen das Bedürfnis nach Abhaltung von Sitzungen mehr und mehr zurück gegangen“ ( A uerbach & L ehman 1922). So finden zwischen 25. November 1914 und 6. Dezember 1918 nur noch 36 Sitzungen statt (ca. 9 pro Jahr). In den 52 Jahren davor gab es dagegen in jedem Jahr durchschnittlich 15 Sitzungen. Auch kann die Erdbebenwarte nicht mehr lückenlos betrie- ben werden. Inflation und Nationalsozialismus Im Bericht des Schriftführers A uerbach über das Jahr 1923/24 ist zu lesen: „ Das abgelaufene Ver- einsjahr … stand … im Zeichen der Geldentwer- tung und aller damit zusammenhängenden un- liebsamen und folgenschweren Erscheinungen …“ und: „Eine große Sorge war es für den Vor- stand, abzuwarten, wie die schlimmen Zeitver- hältnisse auf den Stand unserer Mitglieder sich auswirken würden. Zu unserer Freude dürfen wir sagen, daß die meisten uns treu geblieben sind, und daß wir das neue Jahr mit der gleichen Mitgliederzahl beginnen können wie das ver- gangene. Der Mitgliederstand [beträgt] … somit zusammen 207 Mitglieder.“ Auch wurden in dieser schweren Zeit bedeu- tende Stiftungen und Spenden zu Gunsten des NWV gemacht. „Von hochherzigen Spendern sind dem Verein reiche Mittel zur Förderung sei- ner wissenschaftlichen Bestrebungen zugewie- sen worden, die es ermöglichten, den Druck … der „Verhandlungen“ in Angriff zu nehmen und die Wiedererrichtung seiner Erdbebenstation in die Wege zu leiten“. So gaben u.a. das Badische Ministerium des Kultus und Unterricht 10 Mio. Mark, überboten von H enry G oldmann aus New York mit 22 Mio. Mark, wiederum überboten von Fabrikant M ax F essler aus Pforzheim mit 75,6 Mio. Mark. Aber auch die darauf folgenden Jahre 1926 bis 1935, in welche die Weltwirtschaftskrise fällt, wa- ren für den NWV schwierig, und es ist aus der Feder des neuen Schriftführers J osef H auer zu lesen: „Der wirtschaftliche Niedergang … hat das Leben des Naturwissenschaftlichen Vereins un- günstig beeinflußt“, und in dem Verweis auf die

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