Carolinea 74

116 Carolinea 74 (2016) 3. Band der Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe. 1895 Seine letzte wissenschaftliche Arbeit über Psidium ovatum im Schwarzwald erscheint im 11. Band der Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe. 11.4.1898 S andberger stirbt in Würzburg. Chemie: F ritz H aber (1868 – 1934) Text: P eter M üller Nach seiner Promotion in Berlin kam F ritz H aber 1894 nach Karlsruhe, wo er eine Assistentenstelle an der TH Karlsruhe antrat. Er arbeitete im Be- reich der Brennstoffchemie, und 1896 wurde sei- ne Habilitationsschrift über die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen angenommen. 1898 wurde er zum außerordentlichen Professor für Tech- nische Chemie an der TH Karlsruhe ernannt. Dort gelang ihm die Synthese von Ammoniak aus Was- serstoff und dem Stickstoff der Luft. Ohne diese bahnbrechende Entdeckung wäre es heutzutage nicht möglich, die Menschheit zu ernähren. Vor der industriellen Nutzung der Ammoniaksyn- these wurde den Ackerböden der notwendige Stickstoff für die Pflanzen in Form von Mist, Kom- post oder bestimmten Fruchtfolgen zugeführt. Die Intensivierung der Landwirtschaft machte die Verwendung von Guano (Kot von Seevögeln auf Inseln vor der südamerikanischen Pazifikkü- ste) als Düngemittel nötig. Das Wachstum der Weltbevölkerung im 19. Jahrhundert schuf je- doch eine so gewaltige Nachfrage, dass im Juni 1898 der angesehene britische Chemiker W illiam C rookes warnte: In geschätzt 20 Jahren werde die Stickstoffnachfrage das Angebot überstei- gen, und der westlichen Welt drohe dann eine gewaltige Hungersnot. Die einzige Lösung sah er in der chemischen Fixierung des Luftstickstoffs. Vor diesem Hinter- grund beschäftigte sich H aber schon um 1904 mit der katalytischen Bildung von Ammoniak aus den Elementen 3H 2 + N 2 ⇌ 2NH 3 . Er knüpfte an die Arbeiten von H enry L ouis L e C hâtelier sowie W ilhelm O stwald an und stellte bei seinen Un- tersuchungen fest, dass die Ammoniaksynthese durch Osmium und Eisen (frisch durch Reduk- tion aus Eisenoxalat hergestellt) katalytisch be- schleunigt wird. Während andere Wissenschaft- ler die Ammoniaksynthese für wirtschaftlich nicht durchführbar hielten, setzte H aber seine Untersuchungen mit Unterstützung der BASF erfolgreich fort. „Es tröpfelt!“, war sein Ausruf Mitte 1909, als erstmals flüssiges synthetisches Ammoniak aus der Karlsruher Versuchsappara- tur trat. Die Untersuchungen gipfelten schließlich 1913 in der ersten Ammoniakfabrikationsanlage mit einem Ertrag von 25 t NH 3 pro Tag bei der BASF in Oppau bei Ludwigshafen/Rhein. 1919 erhielt H aber dafür den Nobelpreis für Chemie. Ohne die Erfahrungen von C arl B osch in Bezug auf die Hochdrucktechnologie (Haber-Bosch- Verfahren) und ohne die intensive Katalysator- forschung von A lwin M ittasch wäre sein Erfolg allerdings nicht möglich gewesen. Auf Betreiben von H aber wurde bei Ypern in Flandern Chlorgas als Kriegswaffe eingesetzt. Der Einsatz des Gases galt als eine der schlimm- sten Gräueltaten im 1. Weltkrieg, und H aber wur- de nach Kriegsende auf die Liste der Kriegsver- brecher gesetzt. In Karlsruhe wurde 2014 eine intensive Diskussion über diese Seite des Wis- senschaftlers geführt. Die Fritz-Haber-Straße in Karlsruhe-Grünwinkel sollte umbenannt werden. Der Karlsruher Gemeinderat entschied sich im Mai 2015 gegen eine Umbenennung. Stattdes- sen wurde das Straßenschild mit einer Tafel er- gänzt, auf der auch auf H aber s Rolle im Giftgas- angriff bei Ypern hingewiesen wird. Das Schild wurde am 7. Juli 2015 angebracht. Seine Frau C lara I mmerwahr -H aber , die sich vermutlich auch aus Protest gegen den Giftgasangriff erschoss, wurde 2001 mit der Benennung eines Platzes in der neuen Karlsruher Südstadt-Ost geehrt. Im Karlsruher Institut für Technologie gibt es au- ßerdem eine Initiative, den Fritz-Haber-Weg auf dem Campus zu halbieren und die zweite Hälfte ebenfalls nach C lara I mmerwahr zu benennen. Die moralische und juristische Schuld, die F ritz H aber auf sich geladen hat, macht ihn bis heu- te zum mahnenden Beispiel dafür, wie Erkennt- nisse der Wissenschaft Segen und Fluch der Menschheit zugleich sein können. Lebensweg 9.12.1868 Geburt in Breslau als Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie 1886 Aufnahme eines Chemiestudiums an der Universität Berlin, nach dem Militärdienst Fortsetzung des Studiums in Heidelberg und Zürich 1891 Promotion in Berlin 1893 Konversion zum protestantischen Glauben

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=