Carolinea 74

210 Carolinea 74 (2016) im Gebiet des indonesischen Sundabogens. Zu beiden Punkten konnten die Auswertungen ab- geschlossen werden, die Publikationen werden aber erst im Januar 2016 erscheinen. Dagegen gehen die Veröffentlichungen über die Thorax- Morphologie der Unterfamilie Cryptorhynchinae sowie der Mikromorphologie der Flügeldecken von Käfern im Allgemeinen in großen Teilen auf die Jahre 2008 und 2009 zurück, als Dr. T homas van de K amp als wissenschaftlicher Volontär am SMNK arbeitete. Das zeigt, welch langer Weg manchmal zu gehen ist, bis erhobene Daten pu- bliziert sind. Eine Arbeit über die molekulare Phylogenie und Biogeographie der Rüsselkäfer-Tribus Celeuthe- tini konnte dagegen relativ rasch abgeschlos- sen werden. Sie war zunächst als Pilotstudie gedacht, entwickelte sich aber so unkompli- ziert, dass daraus nun schon eine erste Veröf- fentlichung entstand. Die Celeuthetini sind eine Gruppe flugunfähiger Rüsselkäfer, die unseren heimischen Otiorhynchus -Arten ähneln und auch entsprechend artenreich sind. Ebenso wie die Gattung Trigonopterus könnten sie dazu beitra- gen, die komplexe Biogeographie der indoaus- tralischen Region aufzuklären. Der britische Na- turforscher A lfred R ussel W allace (1823 – 1913) wäre sicher von den heutigen Möglichkeiten der phylogenetischen Rekonstruktion und biogeo- graphischen Analyse begeistert. Die Schmetterlingsforscher des SMNK, Dr. R o - bert T rusch und M ichael F alkenberg , haben 2015 eine bisher in Deutschland noch nicht nachge- wiesene Großschmetterlingsart entdeckt: das sogenannte Purpurweiden-Jungfernkind ( Boudi­ notiana touranginii ), ein tagaktiver Falter aus der Familie der Spanner (Geometridae). Bisher war das Vorkommen der Art vor allem aus Zentral- frankreich belegt. Weil es einen 75 Jahre alten Beleg aus dem benachbarten Elsass gab, ver- muteten die Wissenschaftler, dass die Art auch in Deutschland vorkommen könnte. Sie gin- gen deshalb – zusammen mit ehrenamtlichen Schmetterlingsforschern der Entomologischen Arbeitsgemeinschaft im Naturwissenschaftlichen Verein Karlsruhe e.V. – im Jahr 2015 wiederholt auf die Suche. Am 17.3.2015 wurden sie end- lich fündig und entdeckten ein erstes Exemplar in der südlichen Oberrheinebene. Das Purpur- weiden-Jungfernkind ist nicht etwa neu nach Deutschland eingewandert, sondern wohl seit Jahrtausenden in der südlichen Oberrheinebene heimisch. Es handelt sich vermutlich um eine Re- liktart der dynamischen Stromtalauen, wie sie bis vor 200 Jahren auch noch für den Rhein typisch waren. Aufgrund seiner Verborgenheit war das Purpurweiden-Jungfernkind bisher übersehen worden. Es ist deshalb so schwer zu finden, weil es nur eine extrem kurze Zeit lang als Falter auf- tritt. Diese Zeit liegt zudem im zeitigen Frühjahr und beginnt noch bevor die Weiden aufblühen und ihre Kätzchen zeigen. Deshalb werden die- se Schmetterlinge auch Jungfernkinder genannt: weil sie nach dem Winter in der noch „jungfräu- lichen“ Natur als erste Frühlingsboten erschei- nen. Wie erfreulich, dass es in der „Rest-Natur“ des dicht besiedelten Mitteleuropa noch möglich ist, Neues zu entdecken! Abbildung 18. Purpurweiden-Jungfernkind Boudinotia­ na touranginii , Männchen, erster Nachweis dieser Art in Deutschland, südliche Oberrheinebene bei Griß- heim, Stadt Neuenburg am Rhein (Landkreis Breisgau- Hochschwarzwald), 17.3.2015. – Foto: R. T rusch . Abbildung 19. Purpurweiden-Jungfernkind Boudino­ tiana touranginii , Weibchen im Augenblick des Abset- zens auf einem Purpurweidenzweig; nördlich Lörrach, 23.3.2015. – Foto: R. T rusch .

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=