Carolinea 75

116 Carolinea 75 (2017) mit einem Anstieg auf 5,60 bis 5,80 m (vgl. „Der Spiegel“ vom 14. Mai 1999). Angesichts dieser Verhältnisse wirft sich zwangsläufig die Frage auf, wie die Präimaginalstadien des Purpurwei- den-Jungfernkindes diese lang anhaltenden Überschwemmungen im Entwicklungshabitat, für das wir schwerpunkthaft die Buhnenfelder entlang des Rheines halten, überleben können. Anhand der Freilandbeobachtungen von 278 Imagines von B. touranginii aus unserem Un- tersuchungsgebiet, der geringen Mobilität der Weibchen und ausgehend von einer relativ en- gen ökologischen Valenz der Art nehmen wir an, dass die regelmäßig überschwemmten Buh- nenfelder des Restrheins ein wichtiges (wenn nicht das wichtigste) Reproduktionshabitat des Purpurweiden-Jungfernkindes bei uns sind. Es handelt sich bei ihnen – auf Grund der regelmä- ßig auftretenden Überschwemmungen – um eine stark vom Fluss beeinflusste, sedimentreiche alluviale Weichholzaue mit charakteristischen, hochwüchsigen Beständen von Purpur- und Lavendelweide ( Salix eleagnos S cop . , S. purpu­ rea L. ; Salicaceae) und auch Weiden-Bastarden (z.B. Rötelweide S. x rubescens , R eif et al. 2013 ) sowie in den höher liegenden Bereichen mit Schwarzpappel und Silberpappel ( Populus nigra L . , P. alba L.; Salicaceae). Auch andere Salica- ceen, wie etwa die Mandel-, Korb- und Salweide ( Salix triandra L. , S. viminalis L. und S. caprea L. ; Salicaceae) sind charakteristische, wenn auch seltenere saumbegleitende Elemente der Buh- nenfelder. Sie sind dem Lebensraum des Purpur- weiden-Jungfernkindes im weiteren Sinne zuzu- ordnen. Dieser Lebensraum tritt flussbegleitend auf, ist anthropogen entstanden und zumeist nur kleinflächig vorhanden. Nach unserem gegenwärtigen Wissensstand gibt es eine enge Korrelation zwischen den Stel- len, an denen häufiger Falter von B. touranginii beobachtet werden konnten, und offenen und zumindest mäßig sonnenbeschienenen Biotop- strukturen in diesen Buhnenfeldern mit größeren Vorkommen der Purpurweide. Diese Weidenart wächst als hochwasserresistente Pflanze im niedrigen Uferbereich des Restrheins und wird bis zu sechs Meter hoch. Die Weidenbüsche, unter denen sich oft größere Mengen von abgestorbenen Ästen befinden und unter denen sich auch morsches Schwemmholz verfängt, dürften unseres Erachtens als larvales Entwicklungshabitat in Frage kommen – auch wenn bei uns bislang weder Eiablagen der Imagi- nes noch Freilandraupen (trotz Raupenklopfens in diesen Büschen) beobachtet werden konnten. Wie die Schwesterart B. notha bohrt sich auch die Larve von B. touranginii zur Verpuppung in morsches Holz ein (vgl. L évêque 2011: 13, Abb. 20c-23d; T rusch et al 2016: 73, Abb. 24a) und verschließt das Bohrloch von innen fest mit „Genagsel“ ( L évêque l.c. Abb. 22a-c), so dass die Stelle, an der sich die Larve eingebohrt hat, kaum noch gefunden werden kann. Sollten die Buhnenfelder wirklich das Entwick- lungshabitat von B. touranginii sein, müsste die vermutlich am Fuß der Weidengebüsche im abgestorbenen Holz eingebohrte Puppe auch längere Überschwemmungsphasen überstehen können. Insbesondere zur Zeit der Schnee- schmelze in den Alpen stellt sich im Mai und Juni oft für längere Zeit Hochwasser ein, so dass die Aue und damit auch die potenziellen Verpuppungsorte der Art meterhoch unter Was- ser stehen (Abb. 6). Es besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf, insbesondere hinsichtlich der Habitatpräferenz der Raupen, für die noch Frei- landfunde zu erbringen sind. Ebenso steht ein experimenteller Nachweis zur Überflutungstole- ranz der Puppen aus dem Labor noch aus. Auf den basen- und nährstoffreichen, sandig- kiesigen Schwemmböden der Buhnenfelder do- miniert ab dem Frühsommer eine nitrophytische Vegetation, die dann für Menschen nahezu un- durchdringlich ist. Aspektbestimmend sind im Umfeld der Weidengebüsche bis zu zwei Meter hohe, dickichtartige Bestände von Großer Bren- nessel ( Urtica dioica L.; Urticaceae), Drüsigem bzw. Indischem Springkraut ( Impatiens glandu­ lifera R oyle ; Balsaminaceae), Riesen-Goldrute ( Solidago gigantea L.; Asteraceae) und Brom- beeren ( Rubus spp.; Rosaceae) sowie Gräsern. 4.2 Phänologie Die Flugzeit der Imagines von B. touranginii be- ginnt innerhalb der ersten milden und sonnigen Tage im zeitigen Frühjahr, allerdings erst kurz nachdem die anderen beiden bei uns heimi- schen Jungfernkinder-Arten bereits aktiv sind (vgl. die blauen und grünen Säulen in Abb. 7 vor der Flugperiode von B. touranginii ). So konn- ten im Lebensraum von B. touranginii z.B. vom 22.-24. Februar 2017 zwar schon B. notha und A. parthenias registriert werden, noch nicht je- doch die Zielart. Deren Falter erschienen erst (in mehr als 10 Exemplaren) bei Tagestemperaturen von + 18 °C am 27. Februar. Dies unterstreicht, dass es sich bei B. tourangi­ nii um eine südliche, wärmeliebende Art handelt.

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