Carolinea 75

H errmann & T rusch : Das Purpurweiden-Jungfernkind am südbadischen Oberrhein 121 morsches Holz ein. Abgesehen von der Größe konnten keine nennenswerten Unterschiede zwi- schen beiden Arten beobachtet werden. 5 Zur morphologischen Abgrenzung von B. touranginii und B. notha Boudinotiana touranginii wurde vor nunmehr fast 150 Jahren in Frankreich entdeckt. Allerdings wurde die Art damals nur als Varietät von B. no­ tha beschrieben. Die Autorenschaft von B. tou­ ranginii wird allgemein J ean -É tienne B erce (*24. April 1803, Saint-Dié-des-Vosges, † 29. Dezem- ber 1879, Paris) zugeschrieben, welcher als Prä- sident der „Société entomologique de France“ Verfasser jenes sechsbändigenWerkes ist, in der die Urbeschreibung der „Var. Touranginii“ durch M aurice S and abgedruckt wurde. B erce s Werk behandelt die französische Schmetterlingsfauna in der Reihe „Faune entomologique Francaise“ und erschien von 1867 bis 1878. M aurice S and , Sohn der berühmten Schriftstel­ lerin G eorge S and , eigentlich J ean -F rançois -­ M aurice -A rnauld Baron D udevant (*30. Juni 1823, Paris, † 4. September 1889, Nohant-Vic, Département Indre, Centre-Val de Loire), war ein französischer Schriftsteller und Illustrator (SDEI, Wikipedia). Er widmete die Art dem Entdecker des Purpurweiden-Jungfernkindes, dem „ange- sehenen Entomologen“ G ustave T ourangin ( S and in B erce 1870: 169-170). Dem war bereits auf- gefallen, dass die Raupen seiner Tiere an Pur- purweide ( Salix purpurea , in der Urbeschreibung unter dem alten Namen S. monandra ) fressen – im Gegensatz zu den beiden anderen Arten, die sich an Birke ( Betula pendula R oth ; Betulaceae) bzw. Pappel ( Populus tremula L.; Salicaceae) ent­ wickeln. Trotzdem wurden B. notha und B. touran­ ginii bis zur Jahrtausendwende nicht als getrennte Arten angesehen. Manifestiert wurde dies durch den weit verbreiteten „Staudinger-Katalog“ ( S tau - dinger & R ebel 1900), der B. touranginii ebenfalls als Varietät unter B. notha führt. Erst B érard (2000) veröffentliche spezifisch ge- wertete morphologische Unterschiede zwischen beiden Taxa, anhand derer sich B. touranginii zweifelsfrei bestimmen lässt, und erkannte das Taxon als eigene Art an. Zur schnellenVerbreitung dieser Erkenntnis trug wiederum ein Standard- werk bei, diesmal der erste Band der „Geometrid Moths of Europe“ von H ausmann (2001). Trotzdem werden bis heute immer wieder Zweifel an der Artberechtigung geäußert, und man kann z.B. im Internet lesen, dass der Status von B. touranginii unklar sei, weil das Taxon einen identischen Bar- code mit B. notha besitzt ( P rpic -S chäper 2017 mit Bezug auf H ausmann et al. 2013). Diese Zweifel sind jedoch keineswegs begrün- det, denn auch H ausmann et al. (2013) schreiben, dass auf Grund der deutlichen Unterschiede in der Morphologie die Artabgrenzung nicht in Fra- ge gestellt wird. Sie untersuchten 219 (88 %) der 249 europäischen Spannerarten aus den fünf Unterfamilien Archiearinae, Desmobathri- nae, Orthostixinae, Geometrinae und Sterrhinae darauf, ob sich ihre „Barcode-Indexnummern“ (BINs in „BOLD Systems“, vgl. R atnasingham & H ebert 2007) für die Re-Identifikation der nach Abbildung 9. In doppelter natürlicher Größe links im Bild der einzige hier bekannt gewordene Falter von B. notha (Spannweite 32 mm) mit stark asymmetrischen Fühlern; links 47, rechts 42 Glieder (Grißheim, 22. März 2013, leg. R. H errmann ). Rechts ist jenes Exemplar von B. touranginii (Spannweite 23 mm) abgebildet, das die höchste Anzahl Fühlerglieder aufweist; links 48, rechts 47 (Steinenstadt, 11. März 2017, leg. R. H errmann ). – Fotos: R. T rusch .

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