Carolinea 75

Naturwissenschaftlicher Verein 227 Naturwissenschaftlicher Verein Karlsruhe e.V. Entomologische Arbeitsgemeinschaft Rückblick auf das Jahr 2016 Die im Jahresprogramm der Entomologischen Arbeitsgemeinschaft angekündigten fünf Vorträ- ge und fünf öffentlichen Führungen sowie das Arbeitstreffen zur Bearbeitung der Zünslerfalter Baden-Württembergs (25. November) fanden planmäßig statt. Nicht möglich war es aber, im Laufe des Jahres einige Exkursionen zu den „weißen Flecken“ unseres Arbeitsgebietes um Kocher und Jagst zu unternehmen, weil dafür die Kapazitäten fehlten. Die Veranstaltungen im Ein- zelnen waren folgende: Am 26. Februar fand der Vortrag von A ljoscha W rona „Insekten suchen – was soll denn das?“ statt. Ein Jugendlicher erzählte im Rahmenpro- gramm zur Sonderausstellung zum 175. Jubilä- um des Naturwissenschaftlichen Vereins Karls- ruhe davon, wie er sich für die Insektenkunde begeistern ließ. Weitere Informationen finden sich im Hauptprogramm (siehe vorn). Einen Monat später, am 26. Februar, trug V ik - tor H artung (Berlin), derzeit wissenschaftlicher Volontär des Referats Entomologie, aus seinem Doktorarbeitsthema vor: „Systematik und Phylo- genie der Mooswanzen (Peloridiidae), einer enig- matischen südhemisphärischen Insektenfamilie (Hemiptera, Coleorrhyncha)“: Zur Verwandtschaft der Hemiptera, zu denen Wanzen (Heteropte- ra), Zikaden (Auchenorrhyncha) oder Blatt- und Schildläuse (Sternorrhyncha) gehören, zählen auch die „Scheidenschnäbler“ (Coleorrhyncha). Sie sind 250 Mio. Jahre alt und haben nicht nur die Dinosaurier überlebt, sondern mehrere große Aussterbeereignisse überstanden. Heute gibt es in dieser einst artenreichen und global verbreiteten Gruppe nur noch eine Familie, die südhemisphärischen Peloridiidae mit 37 Arten: kleine, kryptisch gefärbte Tiere, die auf wenige spezielle Habitate beschränkt sind. Sie sind rar in wissenschaftlichen Sammlungen und waren lange Zeit kaum erforscht. Der Referent hat die Peloridiidae in Australien, Neuseeland und Chile gesammelt und forscht über ihre Systematik. In seinem Vortrag gab er uns einen Einblick in die Biologie, Lebensweise und Phylogenie dieser in- teressanten Gruppe. Am 18. März stand dann der ehemalige Kurator der Karlsruher Schmetterlingssammlung G ünter E bert (Stutensee) noch einmal auf dem Podium. Er berichtete mit seinem Vortrag „Anatolien – ein verlorenes Paradies der Schmetterlingssamm- ler“ aus alten Zeiten: Anatolien oder Kleinasien, wie es geopolitisch auch genannt wird, war in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts noch das „Tor zum Orient“. Für viele Reisende, darunter die damals noch in verhältnismäßig großer Zahl vorhandenen Schmetterlingssamm- ler, war es quasi ein Paradies, ohne behördliche Kontrollen und sonstige Hindernisse. Auf dem Taurus-Gebirge gab es Hirten, die mit einfachen, wie in biblischen Zeiten mit dem Scheibenrad ausgerüsteten Karren unterwegs waren, und in Istanbul waren die alten Holzhäuser noch nicht völlig einplaniert worden. Über den Bosporus fuhr man mit der Fähre von Europa nach Asien. Aus dieser Zeit ist heute der Süden als „Tür- kische Riviera“ erwachsen, ganz auf den mo- dernen Tourismus zugeschnitten. Die Schmetter- linge auf dem Kopdagi- und Ziganapass werden, nachhaltiger als früher, auf ihren Flächen vom Weidevieh verdrängt; den Naturbeobachter und Sammler haben sie nicht mehr zu fürchten. Dr. G eorg P etschenka vom Institut für Insektenbio­ technologie der Justus-Liebig-Universität (Gie- ßen) brachte uns am 29. April sein Interessens- und Forschungsgebiet näher. Sein Vortrag „Alles nur geklaut: Wie Insekten Pflanzengifte für die eigene Verteidigung nutzen“ war ein Ausflug in die chemische Ökologie der Pflanze-Insekt-Inter- aktionen: Im Laufe der Evolution haben Pflanzen eine unüberschaubare Vielfalt an Toxinen entwi- ckelt, um sich gegen pflanzenfressende Insek- ten zu schützen. Um Giftpflanzen dennoch als Nahrungsressourcen nutzen zu können, haben Insekten im Gegenzug Resistenzmechanismen ausgebildet, die es ihnen erlauben, mit Pflan- zengiften umzugehen. Bemerkenswerterweise können viele Insekten Pflanzengifte jedoch nicht nur tolerieren, sondern sie darüber hinaus so- gar für ihre eigene Verteidigung nutzen. Diese sogenannte Sequestration wurde erstmals beim

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