Carolinea 75
Carolinea 75 (2017): 5-13, 9 Abb.; Karlsruhe, 27.12.2017 5 Biegsame Gesteine!? Itacolumite aus der petrographischen Sammlung des Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe D aniel F alk & K atrin T reptow Kurzfassung Itacolumite sind Sandsteine, die durch eine schwache metamorphe Überprägung eine für Gesteine unty- pische reversible Beweglichkeit aufweisen. Sie sind auch unter dem Namen Gelenkquarzit bekannt und stellen seit der ersten wissenschaftlichen Bearbeitung im 19. Jh. ein Kuriosum der Natur dar. Die Flexibilität wird mit einem Puzzle-artigen Gefüge erklärt. Das In- einandergreifen von sehr kantigen Quarzkörnern (Ver- zahnung) sowie konkav/konvexen Quarzkörnern (Ge- lenke) ermöglicht Stabilität und Flexibilität zugleich. Die Quarzkörner unterlagen im Vorfeld einer chemischen Lösung, die mehrere Mikrometer breite Intergranular- räume zurückließ. Dieser „erschaffene“ Intergranular- raum bedingt die Flexibilität des Gesteins. Vereinzelt tragen weitere länglich-plattige Minerale (u.a. Glimmer) zur Unterstützung des Kornverbunds bei. Vier der fünf Sammlungsobjekte im Staatlichen Muse- um für Naturkunde Karlsruhe stammen den Recher- chen nach aus Brasilien (südlich Ouro Preto, Itacolomi Berge). Es erfolgten mikroskopische Untersuchungen sowie Analysen am REM. Das fünfte Objekt kam für nähere Analysen zustandsbedingt nicht in Frage. Abstract The Itacolumite is a kind of low-metamorphic sand- stone, which shows in contrast to other rocks an indica- tive reversible flexibility. Itacolumites are also named “Gelenkquarzit”. These rocks are in scientific interest since the 19 th century. Their solidity and flexibility can be explained by a puzzle-like structure, which is made up of interlocked very angular quartz grains and also articulated concave/convex quartz grains. Intergranu- lar voids of a few of micrometers are relicts of partial chemical dissolution of quartz grains. These voids al- low flexibility. Elongated and platy minerals (e.g. mica) may support the compound structure. Four out of a total of five objects from the collection of the State Museum of Natural History Karlsruhe were studied. Investigation shows a Brazilian origin (south of Ouro Preto, Itacolomi Mountains). Microscopic and SEM analysis has been performed. Due to bad pre servation of the fifth object, no investigation has been done on it. Autoren D aniel F alk , Staatliches Museum für Naturkunde Karls- ruhe, Erbprinzenstraße 13, D-76133 Karlsruhe, Tel.: +49 721/175 28 05; E-Mail: daniel.falk.email@gmail.com K atrin T reptow , TU Bergakademie Freiberg, Geowis- senschaftliche Sammlungen, Brennhausgasse 14, D-09599 Freiberg, Tel.: +49 3731/39 28 39; E-Mail: Katrin.Treptow@geosamm.tu-freiberg.de Einleitung Gelenkquarzite (Itacolumite) sind den sedimen- tären Festgesteinen zuzuordnen. Die schwach metamorphen Sandsteine zeichnen sich durch ihre erstaunliche, für alle anderen Gesteine un- übliche, zweidimensionale, reversible Beweg- lichkeit aus (Abb. 1). Die Erklärung dieser Eigen- schaft ist wissenschaftlich recht widersprüchlich. Wenn auch der Sandstein selbst nicht genügend Baustabilität bietet ( S uzuki et al. 1993 ), so wer- den dennoch Möglichkeiten in der bionisch-tech- nischen Anwendung von stabilen, aber gleich- sam beweglichen Konstruktionselementen im Bauwesen ( Y amaguchi et al. 2007 ), bei Keramik ( I mai et al. 2009 , P icu et al. 2016 ) oder Feuerfest- materialien ( T elle & O ta 2015 ) erforscht. Itaco- lumit-Aufschlüsse treten weltweit in Regionen Brasiliens, Indiens, der USA, Frankreichs, Mada- gaskars, Gabons und Chinas auf (u.a. K laproth 1801, D erby 1884, L ieber 1858, C houbert 1946, G insburg & L ucas 1949, S tuckey 1958, S uzuki & S himizu 1993, 2003, B este 2005, S uzuki et al. 2011 , vgl. Übersicht in K erbey 2011 ). Eine Unterscheidung erfolgt anhand verschie- dener Parameter (Kornform, Sortierung, Matrix, Mineralbestand u.a.) in zwei Kategorien ( S uzu - ki & S himizu 1993 ): glimmerführend-schieferiger Quarzit („Micaceous Schistose Quartzite“: Bra- silien, USA, Madagaskar u.a.) und reifer, quar- ziger Sandstein („Mature Quartzose Sandstone“: Indien, China u.a.). Bei den Inventarisierungsarbeiten in der Petro- graphischen Sammlung des Staatlichen Muse- ums für Naturkunde Karlsruhe (SMNK) traten diverse Sammlungsobjekte auf, die den Itaco- lumiten Brasiliens zugeordnet werden konnten (Abb. 2). Aufgrund des trotz ihrer faszinierenden Eigenschaften geringen öffentlichen Bekannt-
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