Carolinea 76
G ack & K obel -L amparski : Raupen von Sackträgern des zentralen Kaiserstuhls 131 Männchen mit Sinnesorganen auf ihren stark verzweigten Fühlern aufnehmen und zur Part- nerin lenken. Je nachdem, ob das Weibchen auf dem Sack oder im Sack das Männchen erwar- tet, findet die Kopulation außerhalb oder mit Hilfe des stark verlängerbaren Hinterleibs des Männ- chens im Sack statt. Die Männchen sterben we- nige Stunden nach der Begattung, die Weibchen legen kurz danach die Eier in den Sack oder in die noch im Sack verbliebene Puppenhülle und sterben dann ebenfalls. Von manchen Arten kennt man von Teilpopulationen die Entwicklung aus unbefruchteten Eiern (Parthenogenese). Aus den Eiern schlüpfen nach drei- bis fünfwö- chiger Entwicklungszeit die Raupen, welche sofort, oft noch auf dem mütterlichen Sack, mit dem Bau ihres eigenen Sacks beginnen. Das Baumaterial besteht aus selbstproduzierten Sei- denfäden aus Drüsen in der Unterlippe und – je nach Art unterschiedlich – darin eingebauten, mit kräftigen Mundwerkzeugen zurechtgebis- senen Pflanzenteilen und/oder Bodenpartikeln (z.B. Sandkörner oder – wie am Kaiserstuhl meist – Löss), bei manchen Arten werden auch Insektenteile eingesponnen (Abb. 5). Der Sack ist an den beiden Enden offen; aus der vorderen Öffnung streckt die Raupe während der Fortbe- wegung und bei der Nahrungsaufnahme Kopf und Vorderkörper. Durch die hintere Öffnung werden Kot und Raupenhäute abgegeben, und durch sie schlüpft auch das erwachsene Insekt heraus. Der ziemlich robuste Sack, der die emp- findliche Raupe gegen Wasser, Trockenheit und Temperaturextreme schützt, wird während des Heranwachsens der Raupe ständig in der Län- ge und Breite an den größer werdenden Körper angepasst. Durch das direkt aus dem Lebens- raum entnommene Baumaterial ist der Sack gut getarnt und bietet Schutz gegen Fressfeinde und Parasitoide. In der Regel umfasst die Raupenentwicklung fünf Häutungen, dann folgt die Verpuppung. Vor jeder Häutung und vor der Verpuppung wird der Sack mit dem vorderen Ende an einem mehr oder we- niger senkrechten Gegenstand (Baumstamm, Pflanzenstängel, Felsen, Mauer, Pfahl) ange- sponnen. Die Überwinterung erfolgt in einem Raupenstadium ebenfalls im angesponnenen Sack. Mitteleuropäische Arten überwintern in der Regel einmal, Arten der subalpinen oder alpinen Stufe zwei- oder dreimal. Im Gegensatz zu den Raupen vieler anderer Schmetterlinge sind die Raupen der Psychiden in der Wahl ihrer Nahrung nicht sehr spezifisch. Flechten und Algen, die vom Substrat abgewei- det werden, Moose, frische oder verwesende Teile von unterschiedlichsten höheren Pflanzen, auch totes tierisches Material sind als Raupen- nahrung bekannt. Abbildung 4. Psyche cf. casta Weibchen am Sack, Schönberg bei Freiburg. Abbildung 5. Dahlica triquetrella Raupensack mit ein- gesponnen Insektenteilen, vor allem von Ameisen.
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