Carolinea 76
142 Carolinea 76 (2018) trag stammen. Ab 1991 wird die gesamte Bö- schung besiedelt, und R. plumella kommt sowohl im Ab- als auch im Auftrag vor. Obwohl sie nicht die am häufigsten gefangene Psychidenart ist, ist sie die einzige, die in allen Fallen der Böschung nachgewiesen wurde. Auch bei abnehmender Populationsdichte bleibt die Tendenz zur gleich- mäßigen Besiedlung der Böschung erhalten. Diskussion Die großflächigen Rebumlegungen am Kaiser- stuhl waren keine Flurbereinigungen im üblichen Sinn, bei denen kleine Flurstücke zusammenge- legt und begradigt wurden, sondern der großzü- gige Umbau einer ganzen Landschaft mit riesigen Erdbewegungen. Diese Baumaßnahmen hinter- ließen nach ihrer Fertigstellung ein von Pflanzen und Tieren weitgehend leeres Gebiet. H errmann (1994) spricht in diesem Zusammenhang von „sterilen, heißen Großterrassen im Kaiserstuhl“. Diese Meinung konnte nur bei ausschließlicher Betrachtung der Psychiden entstehen, denn die Besiedlung durch diese Kleinschmetterlinge er- folgte überraschend langsam, sogar sehr viel zögerlicher als bei den sprichwörtlich langsamen Schnecken. Dagegen lebten auf den von uns untersuchten Großböschungen schon im ersten Jahr nach ihrer Fertigstellung durchschnittlich 75 Spinnen- und 56 Laufkäferarten mit teils sehr hohen Populationsdichten. Die schleppend ver- laufende Wiederbesiedlung durch die Psychiden gilt für die – im Mittelpunkt unserer Untersuchung stehende – Böschung II. Interessanter Weise er- folgte die Wiederbesiedlung dort viel rascher, wo eine neuaufgebaute Großböschung an eine fünf Jahre zuvor fertiggestellte Böschung grenzte (Anhang 1, Böschungen B IV ( K o bel -L am pars ki 1989). Ein allgemeines Prinzip wird sichtbar: Die Be- siedlung eines Neugebietes führt nach einigen Jahren bei fast allen Arten verschiedenster Taxa zu einer explosionsartigen Populationsentwick- lung mit einem daraus resultierenden Auswan- derungsdruck ( K obel -L amparski & L amparski 1997). Unsere Dauerfläche grenzt an altes klein- terrassiertes Rebgelände und ein kleines Meso- brometum, Bereiche, die bewusst als Impfzellen bei der Flurbereinigung ausgespart wurden. Die große ökologische Distanz zwischen Neu- und Altgebiet ist sicher eine Ursache für die lang- same Besiedlung von Böschung II durch Psy- chiden. Wie erreichen überhaupt die Psychiden ein Neu- gebiet? Es sind Kleinschmetterlinge, bei denen fast immer die Flügel der Weibchen vollständig reduziert sind und nur die Männchen fliegen können. Die Ausbreitung geschieht über die Bodenoberfläche durch die Raupen. Theore- tisch ist auch die Ausbreitung kleiner Jungtiere Abbildung 31. Kleinräumige Verteilung (%) von Ptiloce phala plumifera auf Böschung II während drei Dekaden. Abbildung 32. Kleinräumige Verteilung (%) von Rebelia plumella auf Böschung II während drei Dekaden.
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