Carolinea 76

G ack & K obel -L amparski : Raupen von Sackträgern des zentralen Kaiserstuhls 143 durch Windverdriftung möglich, wie sie z.B. bei den kleinsten Larven des Käfers Drilus conco­ lor (K obel -L amparski & G ack 2010) vorstellbar ist oder bei Spinnen erfolgt. Bei Spinnen läuft beim sogenannten „ballooning“ ein zweckgerichtetes Verhaltensmuster ab, Drilus -Larven besitzen – vergleichbar kleinen Rundbürsten – lange Bor- stenbüschel und können dadurch vom Wind leicht aufgenommen und transportiert werden. Auch bei diesem Schneckenräuber sind die Männchen agile Flieger, während die Weibchen fast unbeweglich, Lockstoffe aussendend in der Mündung des Schneckenhauses, aus dem sie geschlüpft sind, verharren. Seidenfäden wer- den von Psychidenraupen ebenfalls produziert; sie nutzen diese z.B. zum Anheften am Verpup- pungsort. Nach H ättenschwiler (2008) lassen sich die Erstlingslarven von Canephora an ihrem Seidenfaden mit dem Wind verdriften. Aber auch diese Art braucht für die Besiedlung der Böschung viele Jahre, 1985 wurde eine erste Raupe gefangen, sieben Jahre nach Böschungs- bau. Als Hinweis für eine Windverdriftung – nicht sehr überzeugend – kann man allenfalls das ge- häufte Auftreten dieser Art in der der Impfzelle am weitesten entfernten Fallenreihe nehmen. Dort im Auftragsbereich entwickelte sich relativ rasch eine dichtere und höhere Vegetation, so- dass ein Auskämmen von „Luftfahrern“ wahr- scheinlicher ist, als im sehr schütter und nieder bewachsenen Abtrag. Alle übrigen Psychiden wanderten offensichtlich über die Bodenoberfläche ein. Die Erstnach- weise auf der Böschung betrafen immer große Raupen, wahrscheinlich auf der Suche nach Ver- puppungsplätzen. Ein solches „Wanderverhal- ten“ vor der Verpuppung ist von vielen Schmet- terlingsraupen bekannt. Zu erklären bleibt trotzdem, warum die Psychiden sogar langsamer als Schnecken zuwanderten. Wie bei allen auf der Böschung lebenden Arten ist davon auszugehen, dass auch die Psychiden- populationen auf natürliche Weise fluktuieren. Nur wenn ein Maximum durchlaufen wird, strah- len sie in nennenswerter Menge ins Nachbarge- biet aus. Im kleineren Maßstab sieht man dieses im Ausbreitungsgeschehen auf der Böschung selbst. Für alle Arten gilt, dass eine starke Popu- lationszunahme immer mit einer starken raum- zeitlichen Ausdehnung verbunden ist, d.h., die Tiere treten im Jahresablauf deutlich länger auf (ihre Phänologie ist gespreizt). Gleichzeitig ist das Vorkommen auf der Böschung ausgedehnter und reicht bis in die suboptimalen Randbereiche hinein, z.B. bei Ptilocephala vom Kernbereich im Abtrag bis in den dichter bewachsenen Auftrag. Einige Zeit nach ihrem ersten Auftreten auf der Böschung durchlaufen alle Psychidenarten ein Populationsmaximum. Diese Maxima sind zeitlich gestaffelt und spiegeln u.a. die Vermeh- rungsfähigkeit der Arten wider. Apterona helicoidella erreichte nach Fußfassen auf der Böschung innerhalb von zwei Jahren als erste Art ihr Maximum, womit sich die Angabe von H errmann (1994) bestätigte, dass sie in der Lage ist, innerhalb kürzester Zeit zu „explodie- ren“. Nördlich der Alpen ist die Art partheno- genetisch. Sie vermeidet Verluste und ist ver- mehrungseffizienter durch den Verzicht auf die Produktion von Männchen. Andererseits gibt es mit Dahlica triquetrella eine weitere partheno- genetische Art, die ihr Maximum weitaus später erreichte, die – obwohl in hoher Anzahl gefangen – nicht in das hier entworfene Schema passt: Typisch für die Besiedlung von Neuland ist bei allen Arten, ausgenommen Dahlica , dass das erste Maximum zugleich das Hauptmaximum ist. Ein weiteres Maximum wird 1997 gleichzeitig von den fünf noch auf der Böschung lebenden Arten erreicht ( Psyche ist zu diesem Zeitpunkt schon verschwunden). Die einfachste Erklärung für dieses zweite Maximum bietet das Wetter: Das Jahr ist durch einen besonders warmen, trockenen Sommer ausgezeichnet. Nach Eta- blierung auf der Böschung werden Fluktuationen nicht mehr durch Zuwanderung und Vermeh- rung, sondern durch äußere Einflüsse, z.B. durch die Witterung, gesteuert. Die neu entstandenen Großböschungen durch- laufen eine Phase, in der bei ganz unterschied- lichen Tiergruppen nach Zuwanderung und Po- pulationsaufbau Massenvermehrung einsetzt, mitbedingt durch wenig Konkurrenz, Fehlen von Krankheiten, Seuchen und Parasiten. Viele Arten gehen nach dieser Populationsexplosion in ihrer Dichte stark zurück, teils verschwinden sie ganz. Wahrscheinlich sinken sie unter einen Schwel- lenwert, bei dem sie mit Fallen nicht mehr nach- weisbar sind. Hierfür spricht, dass z.B. manche Psychiden ( Canephora , Apterona ) über Jahre nicht gefangen wurden, dann aber mit einzelnen Individuen wieder auftraten. Die Standortsbedingungen auf der Böschung – vorwiegend die Vegetation in ihrer Zusammen- setzung und Dichte – haben sich nach 1997 (in der dritten Dekade) nicht mehr so gravierend verändert, dass keine Psychiden dort leben könnten. Vergleichbare Untersuchungen gibt es

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