Carolinea 76
K astner et al.: Die Blockhalden-Wolfspinne im Nordschwarzwald 165 neigung) und Ausdehnung, Faktoren, die wiede- rum das Haldenklima bestimmen. Jede Halde ist in ihrer durch die Blockgröße und Hangneigung bestimmten Gestalt sowie in ihrer Flora und Fau- na nahezu einzigartig. Darum ist es besonders interessant, welche Arten in Blockhalden vor- kommen, welche auf Blockhalden im engeren Sinn beschränkt sind und wie solche Arten re- zent verbreitet sind. Die besondere Morphologie der Blockhalden führt zu speziellen klimatischen Bedingungen in der Halde und zu stark zonierten Kleinle- bensräumen mit unterschiedlichem Mikroklima ( L üth 1993). Auf den sonnenexponierten Ge- steinsoberflächen heizt sich die Halde stark auf, während in den luftdurchströmten Lücken auch im Hochsommer kühlere Temperaturen vorherr- schen. In der Tiefe kann es zu einem höhlenar- tigen Klima kommen ( M öseler & W under 1999). Neben großen Temperaturschwankungen zwi- schen Tag und Nacht gibt es auch Unterschiede zwischen Winter und Sommer. Besonders wenn sich durch den lückigen Aufbau ein Windröhren- system bildet, weisen die Halden ein ganz spezi- elles saisonales Mikroklima auf. Kaltluftflüsse im Inneren der Halde treten am Haldenfuß an die Oberfläche und führen zu einem Kaltluftaustritt in den Sommermonaten. Im Winter tritt dagegen vermehrt warme Luft aus den Lücken aus und kann zu permanent schneefreien Stellen führen ( M olenda 1996). Die Luftströmung wird von Expo- sition, Größe und Höhenausdehnung der Block- halde beeinflusst. Auch die Ausdehnung nach innen, also die Größe und Tiefe der Hohlräume sowie die innere Oberfläche des Haldenkörpers in der Form eines kommunizierenden Spalten- systems spielt dabei eine große Rolle.Wichtig ist auch die Wärmekapazität des Gesteins. Flora und Fauna Höhere Vegetation, insbesondere Baumbe- wuchs kann sich meist gar nicht auf Blockhalden entwickeln, weil sich Feinmaterial und besonders Humus zwischen großen Blöcken nicht bilden und halten kann und mit ihm auch Keimlinge vom Regen immer wieder weggespült werden. Ein weiterer Grund für die Limitation der Flo- ra sind die besonderen Klimabedingungen auf den Blockhalden. Nur wenige höhere Pflanzen können unter den extremen Temperaturschwan- kungen und zeitweiser Trockenheit überleben. Wo sich Humus ansammeln kann, bilden sich kleinere Vegetationsinseln mit z.B. Heidelbee- re, Eberesche oder (Karpaten-) Birken. Algen, Moose und Flechten können sich dagegen in un- gestörten Blockhalden etablieren, ihr Deckungs- grad variiert aber je nach Standort stark. Hohe Deckungsgrade (auf kalkfreiem Gestein) erreicht z.B. das auffällige Zottige Zackenmützenmoos Racomitrium lanuginosum ( H edw .) B rid . An stärker beschatteten Stellen in Halden und im Übergang zum Wald findet sich aber auch das Schöne Frauenhaarmoos Polytrichum formosum H edw . ( L üth 1993). Auch für die Fauna stellen Blockhalden einen extremen, aber vielgestaltigen Lebensraum dar. Die Bandbreite reicht von heißen, trockenen Be- reichen auf der Haldenoberfläche bis zu dunklen, feuchten und kühlen Bereichen im Haldeninne- ren. Dort leben typische Höhlenarten wie die Höhlenradnetzspinne Meta menardi ( L atreille , 1804). Typische und ausschließliche Blockhal- denbewohner unter den Insekten sind z.B. die Spinnenförmige Schneemücke Chionea araneo- ides D alman , 1816 , der Winterhaft Boreus spp. (Mecoptera) sowie mehrere Käferarten wie der Blockhalden-Nestkäfer Choleva lederiana lederi- ana R eitter , 1902, der Schlanke Bartläufer Leis- tus piceus ( F roelich , 1799) ( F ritze & B lick 2010) oder der Berg-Bartläufer Leistus montanus S te - phens , 1827 ( F ritze & H annig 2010). Auffallende Bewohner der Blockhalden sind auch die Felsen- springer ( Machilis sp., Archaeognatha). Auch un- ter den Webspinnen (Araneae) gibt es Arten, die ausschließlich in Blockhalden oder Felsheiden vorkommen, z.B. die Baldachinspinnen (Linyphi- idae) Bathyphantes eumenis buchari R ů ži č ka , 1988 und Lepthyphantes notabilis K ulczy ń ski , 1887, und die Blockhalden-Stachelwolfspinne Acantholycosa norvegica sudetica (L. K och , 1875) ( F ritze & B lick 2010). Viele Pflanzen und Tierarten der Blockhalden werden als Glazialrelikte bezeichnet. Beispiele für Periglazialrelikte – Spinnenarten, die wäh- rend der Kaltzeiten in nicht vom Gletschereis bedeckten Gebieten verbreitet waren und re- zent nur an klimatisch ähnlichen Standorten noch vorkommen, sind die Alpen-Sackspinne Clubiona alpicola K ulczy ń ski , 1882 und die Fel- sen-Springspinne Sittisax saxicola (C. L. K och , 1846) ( F ritze & B lick 2010). Beide Arten sind im Nationalpark Schwarzwald bereits nach gewiesen worden. Häufig handelt es sich bei Periglazialrelikten um ausbreitungsschwache Arten, die auf Reliktstandorte beschränkt bleiben und nur schwer neue Areale besiedeln können. Postglazialrelikte sind boreomontan verbreitete Arten, die unter heutigen Klimabedingungen in
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