Carolinea 76

206 Carolinea 76 (2018) Bahnschotter findet sich vor allem entlang der noch genutzten Bahngleise, zum Teil auch noch auf alten, aufgelassenen Gleisen. Oedipoda cae­ rulescens nutzt sämtliche offenen Bahnschotter- partien, lückige Ruderalfluren auf Schotter sowie gekieste Wegflächen als Habitat. Im Gebiet fin- den sich zahlreiche Teilhabitate mosaikartig ver- netzt mit nicht nutzbaren, dichtwüchsigen Struk- turen. Ein regelmäßiger Individuenaustausch der gut flugfähigen Art zwischen den einzelnen Teilhabitaten ist gegeben. Bei der Begehung am 31.07.2006 ( T reiber 2006 mündl. Mitteilung) wur- den auf der Teilfläche etwa 200 Männchen und 150 Weibchen beobachtet. Die Gesamtpopula­ tion schätzte der ASP-Gutachter damals auf etwa 500 bis 1.000 Imagines. Damit handelte es sich um die wahrscheinlich individuenreichste Population im Naturraum Obere Gäue. Ungeeignete Pflegemaßnahmen im Jahr 2013 führten durch spätes Mulchen ( D etzel 2015) zu einem nahezu kompletten Zusammenbruch der Lokalpopulation. Sowohl 2014 als auch 2015 konnten nur noch Einzeltiere nachgewiesen werden. Durch sofortige Modifizierung der Pfle- ge und Freistellung verbuschter Schotterpartien konnten im August 2018 auf einzelnen Teilflä- chen insgesamt rund 100 Männchen und 80 Weibchen nachgewiesen werden. Beispiel 2: ASP-Fläche „Neckartalhänge Horb“ (Calita-017) Östlich Horb in Richtung Mühlen oberhalb der L 370 und Gäubahn liegt ein SSW-exponierter Steilhang (45 – 60°). Die schütter bewachsenen, unbeschatteten Geröllfelder mit Edelgamander- Blutstorchschnabel-Säumen und Kugelblumen- Trockenrasen-Fragmenten waren von geringer Größe im Gesamtkomplex eines extrem steilen, südexponierten und besonders flachgründigen Hanges. Ursprünglich lebten dort in den 90er Jahren noch wenige Individuen der Rotflüge- ligen Ödlandschrecke. Die Art ist aber in den vergangenen Jahrzehnten extrem stark zurück- gegangen und vielerorts – wie auch dort – ausge- storben. Durch flankierende Pflegemaßnahmen mit Freistellung vieler verbuschter Steilhangpar- tien konnte zwar diese Art nicht gerettet werden, dennoch hat sich die vom Aussterben bedrohte Italienische Schönschrecke dort etabliert und ihre Populationsdichte von wenigen Individuen auf über 300 gezählte Tiere 2018 aufgebaut. Im heißen Sommer 2018 verteilte sich die Art entlang des gesamten Hangs bis hinunter zum Bahnschotter der Gäubahntrasse. 6 Auswirkungen des globalen Klimawandels auf Heuschrecken Die letzten drei Jahre (2015 – 2017) zählten zu den drei wärmsten Jahren seit Beginn der Auf- zeichnungen (WMO 2017). Ende des Jahres wird sicherlich auch das Jahr 2018 dazu gehören. An- dere Institutionen (z.B. KLIWA 2016, PIK 2009) bestätigen ebenfalls den Anstieg der Lufttempe- ratur (beispielsweise 2011 – 2015: + 1,3 °C im Jahresmittel) und prognostizieren in den näch- sten Jahrzehnten eine deutliche Temperatur­ erhöhung gefolgt von geringeren Niederschlägen im Frühjahr und Hochsommer. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf Heuschre- cken in den Nachbarkreisen Rastatt, Baden-Ba- den, Karlsruhe, Enzkreis und Calw (z.B. H afner & Z immermann 1996, 2005, 2010, 2011, 2018, Z immermann et al. 2005, 2013, Z immermann 1997 ), sondern auch in Freudenstadt. Während einige Arten durch verbesserte Erfassungsmethoden (z.B. Barbitistes serricauda, Leptophyes punc­ tatissima ) in den genannten Kreisen regelmäßig erfasst werden konnten, gibt es auch Arten, die durch den Klimawandel klar profitiert haben. So treten die Gemeine Sichelschrecke, das Wein- hähnchen, die Lauchschrecke und die Südliche Eichenschrecke (vgl. H afner & Z immermann 1996, W eber & Z immermann 1990) verstärkt auch im Nordschwarzwald und im Landkreis Freuden- stadt auf. Einige montane bzw. kalt-stenotherme Arten nahmen in den letzten 20 Jahren hinge- gen kontinuierlich ab. Zu diesen Arten zählen der Sumpfgrashüpfer und die Alpine Gebirgsschre- cke. Auch wenn diese in den Hochlagen des Landkreises noch beobachtet werden konnten, so hat sich deren Individuenzahl z.T. reduziert. Auch die Kurzflügelige Beißschrecke zeigt Ten- denzen zu einer Abnahme. Interessanterweise konnte im trockenheißen Sommer 2018 auch schon bei mesophilen Arten (z.B. Metrioptera roeselii ) eine reduzierte Rufaktivität registriert werden. Ob dies Auswirkungen auf die Indivi- duendichten und evtl. lokale Verbreitung haben wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. 7 Ausblick Die untersuchten Gebiete liegen zum größten Teil in bestehenden oder geplanten Naturschutz- gebieten bzw. im Nationalpark Schwarzwald ( F örsch ler et al. 2012) und sind daher dauerhaft vor Eingriffen gesichert. Auf vielen Flächen finden Landschaftspflegemaßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung wertvoller Grünlandlebens-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=