Carolinea 76

22 Carolinea 76 (2018) bar, beinahe grundsätzlich mehrstämmig in der Entstehung (Abb. 6), was nichts daran ändert, dass sie sich optisch und ökologisch als Einheit zeigen. Viele dieser Bäume sind überaltert, oft weit über 200 Jahre alt. Äste brechen ab oder ganze Bäume fallen in sich zusammen. Mitunter hat sich als äußeres Zeichen der Schwäche der Zunderschwamm ( Fomes fomentarius ) oder der Buchen-Schleimrübling ( Oudemansiella mucida ) eingenistet. 2 Die Weidbuchen als Lebensraum für Flechten und Moose An den dicken, in wenigen Metern Höhe oft schon mehrteiligen Stämmen haben sich, begünstigt durch hohe Niederschläge, häufigen Nebelzug und den lichtoffenen Standort, Flechten und Moose etabliert, also „poikilohydre“ Organismen, die in ihrem Wasserhaushalt weitgehend von den gerade herrschenden Feuchtebedingungen abhängig sind. An den weniger stark vom Regen getroffenen Flanken des Stammes und an den Ästen siedeln auf noch glatter Rinde hauptsäch- lich Flechten. An den regelmäßig befeuchteten Flanken kann sich hingegen, auf einem rissig und porös gewordenen Periderm, ein Mosaik aus Flechten und Moosen entwickeln, dem ein dynamisches Gleichgewicht in der Konkurrenz zugrunde liegt, wobei Flechten teilweise die Moosdecken überwachsen und als Substrat nut- zen können. Dies hängt auch mit der erheblichen Konkurrenzkraft der Flechten an diesen Standor- ten zusammen, unter denen sich schnell wach- sende ozeanische Großflechten der Lungen- flechten-Gesellschaft befinden. Dieses Mosaik ist insofern bemerkenswert, als auf Baumrinde gewöhnlich entweder Moose oder Flechten die Vorherrschaft gewinnen. Die hohe Artendiversität der Lungenflechten- Gesellschaft, die zum einen sehr große, bis über 30 cm Durchmesser erreichende Arten beherbergt, zum anderen sehr seltene Sippen, hat die besondere Aufmerksamkeit von Krypto- gamenforschern auf sich gezogen. Die charakte- ristischen Arten dieser auf älteren Laubbäumen im Bergland lebenden Gesellschaft sind über- wiegend stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht und besitzen zum Teil nur noch wenige Vorkommen in Deutschland, so die Große Lun- genflechte ( Ricasolia = Lobaria amplissima ), die Wald-Grübchenflechte ( Sticta sylvatica ) , meh- rere Nierenflechten-Arten ( Nephroma bellum, N. laevigatum, N. parile, N. resupinatum ), die Blaugraue Tuchflechte ( Pannaria conoplea ), die Korallen-Lappenflechte ( Parmeliella triptophylla ) , die Schwarze Leimflechte ( Collema nigrescens ), die Filz-Gallertflechte ( Leptogium saturninum ). Die bekannte Echte Lungenflechte ( Lobaria pul- monaria ) und Namengeberin der Gesellschaft sowie die Schildflechte Peltigera collina sind noch die relativ häufigsten unter diesen Arten. Da die Lungenflechten-Gesellschaft gerade auf Weidbuchen des Südschwarzwaldes artenreich entwickelt war und teilweise in Resten noch im- mer ist, sind diese Bäume auch flechtenkundlich von großem Interesse. W irth (1968) hat die Lun- genflechten-Gesellschaft im Südschwarzwald im Allgemeinen und auf den Weidbuchen im Beson- deren beschrieben. Die Lungenflechten-Gesellschaft stellt beson- ders hohe Ansprüche an die Feuchtebedin- gungen ( W ilmanns 1962). In ihrer artenreichen Ausbildung ist sie an Gebiete mit Niederschlä- gen von über 1.500 mm/Jahr gebunden. Für die Habitatwahl am Baumstamm spielt sicherlich die Häufigkeit und Dauer der Durchfeuchtung der Flechtenthalli durch Niederschläge eine Rolle. Naturgemäß sind die hygrischen Bedingungen an der nord- und westexponierten Stammsei- te günstiger als an der Südseite, doch sind im Einzelnen infolge unterschiedlicher Stammnei- gung und Befeuchtung durch Stammablaufwas- ser sowie durch das Ausmaß der Konkurrenz von Seiten der Moose keine fixen Expositions- zwänge gegeben. Sehr bedeutsam sind auch die Feuchteverhältnisse im besiedelten Sub- strat. Die Lungenflechten-Gesellschaft wächst in Rindenbereichen, die durch rissiges, teilweise sich zersetzendes und schwammiges Periderm und gar Humusansammlungen eine hohe Was- serkapazität aufweisen und längerfristig feucht bleiben, also substratfrische Habitate darstellen ( W ilmanns 1962, W irth 1968); Moosdecken ver- stärken diesen Effekt. Auf noch glattrindigen, rascher abtrocknenden Stammflanken und Teil- stämmen sowie Ästen sind diese Bedingungen nicht gegeben. Hier finden sich trockenresisten- tere Arten ein, so Pertusaria -Arten, die das von hellen Krustenflechten dominierte Pertusarietum amarae bilden ( W ilmanns 1962); an etwas stärker von Regen getroffenen Stammbereichen und auf Astoberseiten entwickelt sich die Blattflechten- Gemeinschaft des Parmelietum saxatilis mit do- minierenden Parmelia saxatilis und Platismatia glauca ( S chwabe & K ratochwil 1987), die hier eine erhebliche Biomasse produzieren. Es findet also auf den Bäumen eine Sortierung nach Maß-

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