Carolinea 76
W irth : Weidbuchen als Biodiversitätsgaranten im Schwarzwald 29 Flechten auch auf den Moosen. Dominierend tritt bei den Moosen Hypnum cupressiforme f. fili- forme auf, teilweise überwachsen von Pertusaria albescens und Ochrolechia androgyna , daneben spielen Antitrichia curtipendula, Leucodon sciu- roides , Pterigynandrum filiforme , Frullania dila- tata , Porella platyphylla und Metzgeria furcata eine Rolle, ganz basal auch Bryum flaccidum . Isolierte Polster von Paraleucobryum longifoli- um finden sich am Stamm auch noch in mehre- ren Metern Höhe. Akrokarpe Polster von Ulota bruchii und Orthotrichum stramineum wachsen vorwiegend an Ästen und Zweigen; Hypnum cu- pressiforme und Pterigynandrum filiforme kön- nen auch an stärkeren Ästen stellenweise eine Rolle spielen. An den weniger stark beregneten, weitgehend moosfreien Flächen des Stammes herrschen Pertusaria -Arten vor, wie Pertusaria amara, P. al- bescens, P. flavida, P. coccodes, P. coronata ; sie bilden mit Varicellaria hemisphaerica, Lecanora argentata und Phlyctis argena typische Bestän- de des Pertusarietum hemisphaericae. An einer Baumhöhlung wachsen an entrindeter Stelle auf altem Holz Alyxoria varia und Rinodina trevisanii sowie die für solche regengeschützten Mikro habitate typischen Vertreter der Stecknadelflech- ten Calicium salicinum und Chaenothecopsis pusilla . Mit der Lupe oder auch mit bloßem Auge erkenn bare Algen-Lager haben ihren Schwerpunkt auf den dünnen Zweigen in den Zweigachseln und an Narben in der Rinde. Es sind Grünalgen der Gattungen Apatococcus, die an allen dünnen Zweigenden sitzen, sowie Trebouxia sp. und Trentepohlia umbrina . Die letzteren beiden wur- den nur mikroskopisch entdeckt. Bemerkenswert erscheint, dass die auf Weidbu- chen an moosfreien, nach Regenfällen bald ab- trocknenden Flanken verbreitete Lindenflechte Parmelina tiliacea an der untersuchten Buche nicht gefunden werden konnte, ebensowenig die gegen die Stammbasis sonst nicht seltene Schriftflechte Graphis scripta oder das auf alter Buchenrinde an Rissen verbreitete Coenogonium pineti ; für letzte- re Art existieren am Stamm scheinbar genügend freie Flächen mit altem rissigem Periderm, erwei- sen sich aber bei näherer Untersuchung als vege- tationsfreie Lücken, die durch Abfallen von Hyp- num cupressiforme- Decken entstanden und wohl zu jung für Flechtenansiedlungen sind. Auch die verbreiteten Bryoria fuscescens , Physcia aipolia, Lecanora symmicta und Arthonia didyma konnten nicht entdeckt werden. 4 Diskussion Die Zahl von 121 epiphytisch auf einer Weidbu- che wachsenden Kryptogamen, davon 91 Flech- ten und sechs flechtenbewohnende Pilze, belegt eine hohe Artendiversität. Vermutlich ist die tat- sächliche Zahl noch etwas höher. Eine der Flech- tenarten wurde nur zufällig mit zwei sehr kleinen Perithecien zwischen Moosen entdeckt, andere, wie Gyalecta fagicola , erst nach langer Suche. Weitere mit nur sehr wenigen kleinen Fruchtkör- pern vertretene Arten können übersehen worden sein. Zudem konnte der Großteil der Krone nicht erreicht werden. Allerdings wäre auch bei einer umfassenderen Recherche in allen bedeutenden Bereichen nicht mit einer deutlichen Zunahme an Flechtenarten zu rechnen, da mit dem herunter- gebrochenen Teilstamm bereits repräsentative Teile der Krone untersucht werden konnten und mit dem Fernglas keine floristischen „Auffällig- keiten“ festgestellt wurden; dies gilt allerdings nicht für flechtenbewohnende Pilze, die oft nur einen verschwindenden Bruchteil der vorhan- denen möglichen Wirtsthalli befallen und nur bei einer Durchsuche aller dieser Thalli einigerma- ßen erschöpfend erfasst werden können. Die Artenzahl an der untersuchten Buche ist hinsichtlich der Flechten überraschend hoch und liegt weit über einer subjektiven Schätzung vor Beginn der Untersuchung. Unter tropischem Klima, an Baumriesen mit einer Vielzahl von Kleinhabitaten im vielschichtigen Regenwald, mit erheblichen Differenzierungen im Feuchte- und Lichtgefälle, sind sehr hohe Flechten-Arten- zahlen belegt, insbesondere in Bergwäldern mit häufiger Wolken- bzw. Nebelbildung. Von M ont - fort & E k (1990) wurden im primären Flachland- Regenwald von Französisch Guiana Zahlen von maximal 55 Arten registriert (im Mittel 33), von N öske (2005) in feuchten Bergwäldern im südli- chen Ecuador maximal 78 Arten (Mittel 56) und von K omposch & H afellner (2000) in Venezuela 84 Arten (Mittel 65). A ptroot (1997) gelang an einem gefällten Baumriesen in einem feuchten montanen Primärwald in Papua Neu-Guinea der Nachweis der enormen Zahl von 173 Flechten- arten, von denen allerdings über die Hälfte nicht bis zur Art bestimmt werden konnte und daher (durch Variabilität) die reale Zahl auch etwas ge- ringer sein kann. In Mitteleuropa kann ein solcher Spitzenwert nicht annähernd erreicht werden, ist doch auch ökologisch eine ähnlich hohe Vielfalt der Bedin- gungen wie an einem Baum im tropischen Berg- regenwald nicht vorhanden und nicht annähernd
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