Carolinea 76
W irth : Weidbuchen als Biodiversitätsgaranten im Schwarzwald 31 stomosans, Hypotrachyna afrorevoluta . Lediglich Ropalospora viridis gehört diesem Spektrum an. In der vorliegenden Untersuchung konnte nur der traditionell von der Botanik berücksichtigte Teil des auf der Weidbuche lebenden Artenspek trums berücksichtigt werden – von Seiten der Zoologie sind aller Wahrscheinlichkeit nach ent- sprechend günstige Befunde zur Artendiversität zu erwarten (siehe z.B. Käfer bei B aum 1989). Weidbuchen übernehmen bezüglich der Biodi- versitäts-Bewahrung eine vergleichbare Funk- tion wie die alten Baumriesen in ehemaligen oder aktuellen Wildparks, wo alte Bäume bis zu ihrem natürlichen Zusammenbruch toleriert oder bewusst erhalten werden ( R ose 1993). Beispiele sind fürstliche Wildparks bei Sigmaringen oder Donaueschingen oder im Schönbuch in Baden- Württemberg, wo Calicium quercinum, Lecano- grapha amylacea oder Gyalecta ulmi überlebt haben, oder der Park an der Sababurg in Hes- sen. Auch hier handelt es sich oft um alte, frei oder licht stehende Bäume, die eine geradezu existenzielle Funktion für solche Flechtenarten haben, die sich erst bei höherem Alter ihrer Trägerbäume einstellen bzw. fortpflanzen. Al- lerdings handelt es sich bei diesen Solitärbäu- men in Wildparks seltener um Buchen, öfter um Eichen und Eschen, die schon aufgrund ihrer ganz anderen Borkenstruktur und -chemie eine andere Flechtenflora tragen. Sowohl der Lebensraum der Weidbuchen als auch die Weidbuchen selbst sind bedroht ( S chwabe -B raun 1980, S chwabe 1990). Die Flü- gelginsterweiden und Borstgrasrasen sind durch Düngung in bestürzendem Maße zurückgegan- gen ( H obohm & S chwabe 1985); damit ist die Bio- diversität großer Flächen auf einen Bruchteil der früheren Werte geschrumpft. Durch auch heute noch stattfindende „Entsteinungen“ in den Rest- flächen wird auch der Artenreichtum am Boden der verbliebenen Magerrasen erheblich gemin- dert ( W irth 1999, 2002). Diese Phänomene sind vielfach beklagt, und sie erfahren, in genereller Form, mit der aktuellen Beachtung des Insek- tensterbens eine plakative Betrachtungsweise. Wer die ausgedehnten Heiden um Hofsgrund mit ihren Legionen von Heuschrecken, Schmetterlin- gen und anderen Insekten noch erlebt hat und heute an ihrer Statt durch sterile Löwenzahnwie- sen wandert, weiß, was ohne wirkliche Not ver- nichtet wurde. Die Erhaltung der Weidbuchen-Gruppen kann, angesichts veränderter Bewirtschaftung, kurz- fristig nur durch Pflegemaßnahmen (z.B. Verhin- derung des Aufkommens von Wald) und durch begleitetes „Aufziehen“ benachbarter jüngerer Buchen, ob der Entstehung nach Weidbuchen oder nicht, versucht werden, langfristig nur durch Erhaltung oder Wiederbelebung der traditio- nellen Bewirtschaftung, wie S chwabe & K ratoch - wil (1987) ausführen. Manche der Baumgruppen sind auch durch dichten Jungwuchs von Fichten oder Buchen einer standörtlichen Veränderung unterworfen, die sowohl den landschaftlichen Charakter als auch die Biodiversität betref- fen. Eine Pflegemaßnahme der seinerzeitigen Bezirksstelle für Naturschutz an einer durch ihren Flechtenbewuchs besonders wertvollen Gruppe bei Wieden hat gezeigt, dass sich bei ungenügender Beweidung rasch wieder Buchen- jungwuchs einstellt ( W irth 2002). Obgleich in naturschutzorientierten Publikati- onen und selbst in populären Veröffentlichun- gen ( H ockenjos 1982, D rescher 1989, S chwabe 1990) auf die Bedeutung der Weidbuchen als charakteristischem Landschaftselement des Südschwarzwaldes und als Träger sehr seltener Arten hingewiesen wurde, ist die existenzielle Rolle der Weidbuchen für diese Organismen nicht genügend bekannt und wird, realistisch gesehen, auch immer irgendwelchen Befugnis trägern verborgen bleiben. Ein Fallbeispiel im wahrsten Sinne desWortes zeigt dies: Im Bereich einer Weidbuchengruppe bei Utzenfeld mit über 200-jährigen Bäumen waren Bänke mit Tischen und eine Feuerstelle eingerichtet worden, offen- sichtlich wegen des reizvollen Standorts und vielleicht auch wegen der Beschattungsfunktion der Bäume. Im Winter 2016/17 wurden drei der sehr alten Weidbuchen gefällt (Abb. 4-6). Be- gründung war laut Auskunft des Landratsamtes Lörrach wie üblich „Verkehrssicherungspflicht“, ein Argument, das ob seiner simplen Selbster klärung und innewohnenden juristischen Implika- tionen über allem zu stehen scheint und alles rechtfertigt. Die angesprochene Baumfällaktion ist eine Angelegenheit von dialektischem Aspekt. Man richtet einen Rastplatz unter sehr alten und natürlich auch zu diesem Zeitpunkt bruchge- fährdeten Bäumen ein und fällt nach einiger Zeit die Bäume, um der Verkehrssicherungspflicht Genüge zu tun. Auch bei Unwissenheit bezüglich der Bedeutung des Epiphytenbewuchses hätten die Weidbuchen aus landschaftlichen Gründen tabu sein können. Mit der Fällung der Buchen wurden Bestände der einzigen durch die Bun- desartenschutzverordnung „streng geschützten“ Flechte (der Lungenflechte Lobaria pulmonaria )
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