Carolinea 76

60 Carolinea 76 (2018) Fürstensitz war der Münsterberg von Breisach und als keltisches „Brisinac“ namensgebend für den heutigen Breisgau. Dass die lössüberdeck­ ten Hänge bereits um 2500 v. Chr. nicht mehr durchgehend bewaldet waren, sondern durch Ackerbau und Beweidung zum Teil offen da la- gen und erodierten, zeigen die Befunde von bis zu drei Meter hohem Schwemmlöss über Torf bei Wasenweiler ( S leumer 1934 ). Auf Waldfreiheit und eine Beweidung der Hänge weist auch der Nachweis der auf Trockenrasen vorkommenden Vielfraßschnecke ( Zebrina detrita ) in Fund- schichten aus der keltischen Hallstattzeit (800- 450 v. Chr.) bei Achkarren hin ( L ais et al . 1933 : S. 433). Eine intensive Beweidung der steilen Hänge und starker Viehtritt sowie Besonnung verbunden mit den späteren Schwemmlöss­ lagen durch Erosion an den Hängen könnten zur Waldfreiheit geführt haben. Zu dieser Zeit dürften aufgrund der enormen Schwemmlösslagen in den darunter liegenden Niederungen demnach noch keine Terrassen an den Hängen existiert haben. Es folgte die römische Herrschaft (Ger- mania superior) ab 15 v. Chr. durch die Erobe- rung Julius Cäsars und Bau römischer Kastelle und Siedlungen. Weinbau ist aus dieser Zeit im Kaiserstuhl nicht nachgewiesen, der Wein wur- de in Amphoren importiert. Die ackerbauliche Nutzung dürfte vor allem in den leichter zu be- wirtschaftenden Ebenen erfolgt sein, von den Hängen sind bislang keine Nutzungshinweise aus römischer Zeit bekannt. Nach dem Abzug der Römer vom Rheinübergang Sponeck 401 n. Chr., der alamannischen Machtübernahme in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts mit Dorf- gründungen, der fränkischen Machtübernahme im 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. und einem Be- völkerungsanstieg dürfte der Nutzungsdruck auf die Hanglagen gestiegen sein. Rebenanbau ist im Kaiserstuhl 769 n. Chr. bei Bötzingen, 778 bei Burkheim und 781 bei Riegel erstmals urkund- lich erwähnt. Es ist wahrscheinlich, dass die er- ste Terrassierung der Hänge mit der fränkischen Herrschaft begann, als Nutzungsparzellen und Wege auch in der freien Landschaft kleinräu- miger festgelegt wurden. Eine wichtige Grund­ lage für die Landwirtschaft war die Landgüterver- ordnung Capitulare de villis Karls des Großen, die zwischen 770-800 n. Chr. entstand. Die Ter- rassierung der Hänge des Kaiserstuhls dürfte mit dem Nahrungsmittelbedarf einer wachsenden Bevölkerung fortgeschritten sein, denn dadurch konnte die Erosion der wertvollen Lössböden verhindert und Ackerbau betrieben werden. Die Grenzlage am Rhein und verschiedene Kriege hatten einen maßgeblichen Einfluss auf die Bevölkerung und damit auch die Bewirtschaf- tung der Hanglagen. Besonders gravierend wa- ren der Bauernkrieg ab 1524 und nachfolgend der 30jährige Krieg (1618-1648). Nur 20-30 % der Bevölkerung hatten überlebt, viele Nutzflä- chen und Rebanlagen waren zerstört oder fie- len aus Arbeitskräftemangel brach. Ein zweiter Einschnitt waren die Erbfolgekriege und Grenz- kriege mit einer nachfolgenden französischen Herrschaft auf badischem Gebiet um 1677-1697 und 1703-1714. Der starke Bevölkerungsanstieg ab 1850 bewirkte eine erneute Inkulturnahme vieler Flächen. Im Liliental bei Ihringen wurden große Waldflächen mit ehemaligen Terrassen ab 1857 gerodet und anschließend landwirtschaft- lich genutzt ( von B abo 1860 ). Nachteilig für die Bewirtschaftung der Flächen wirkten sich auch der Erste Weltkrieg (1914-1018) und der Zweite Weltkrieg (1939-1945) aus. Nicht direkte Zerstö- rungen, sondern der Mangel vorwiegend männ- licher Arbeitskräfte hatte eine Nutzungsaufgabe siedlungsferner und wirtschaftlich weniger er- tragreicher Flächen zur Folge. 1957/58 wurden 70 ha landwirtschaftliche Nutzflächen mit zahl- reichen Hohlwegen und später weitere Flächen durch das Land Baden-Württemberg gekauft, aufgeforstet bzw. für Versuchszwecke und Sa- menanlagen durch die Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) bewirtschaftet. Die Terrassen wurden gezielt mit Wald bepflanzt und das gesamte Tal von der landwirtschaftlichen in eine forstliche Nutzung überführt, was damals auch zu Kritik führte. Neue Terrassen wurden mit den großen Flurbe- reinigungen in den 1970er und 1980er Jahren angelegt, Wald, Wiesen und bislang nicht inten- siv nutzbare Flächen neu zu Großterrassen mit hohen Böschungen umgewandelt. Ein Teil dieser Flächen wurde mittlerweile in klimatisch ungün- stigen Lagen wieder aufgegeben. Die Kulturlandschaft des Kaiserstuhls unterlag seit Beginn der Terrassierung einer ständigen Veränderung. Zunächst wurden Kleinterrassen angelegt, dann folgte durch Kriege die Nutzungs- aufgabe und nach dem Bevölkerungsanstieg die abermalige Nutzung. Die Technisierung der Landwirtschaft führte zu einer weiteren Verände- rung der Terrassen und Nutzung der Hänge. Ein besonderes Zeugnis der historischen Nutzung sind die heute im Wald liegenden Terrassen, de- ren genauere Dokumentation der Anlass dieser Untersuchung war.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=