Carolinea 77
K ögel : Wasserkäfer und -wanzen als Fressfeinde von Stechmückenlarven 13 dem Bau von Dämmen auch zum Ziel, die Stech- mückenplage durch Trockenlegen von einstigen Überschwemmungsflächen abzumildern. Erste größere Aktionen mit dem ausschließlichen Ziel der Stechmückenbekämpfung wurden dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts unternommen. Sie standen damals unter anderem noch im Zusam- menhang mit der von den Anopheles -Mücken übertragenen Malaria ( B resslau & G laser 1918). Die verwendeten Mittel waren vor allem Petrole- um und Saprol ( S ack 1911). Die für die übrige Fauna verheerenden Nebenwirkungen dieser Mittel (vgl. die Schilderungen von S ack ) waren bekannt, dennoch wurde die Bekämpfung mit einer aus heutiger Sicht unverständlichen und unverantwortlichen Unbekümmertheit durchge- führt. Ein Zitat von M artini (1920) möge dies ver- deutlichen: „Alle diese Mittel haben natürlich die Schattenseiten, daß sie auch die übrige Wasser- fauna abtöten und zum Teil die Vegetation (…) schädigen. (…) daß wir viel Larvenfeinde mittö- ten, ist gering von Bedeutung (…) und da kommt es praktisch auch auf sie nicht mehr an.“ Nach dem 2.Weltkrieg geriet die Rheinschnaken- bekämpfung im Bewusstsein der Öffentlichkeit zunächst in Vergessenheit und erst in der Mitte der 1970er-Jahre wurde der Ruf nach Bekämp- fung wieder so laut, dass groß angelegte Ein- griffe erwogen wurden. So gab es in den Jahren 1975 und 1976 erste Bekämpfungsmaßnahmen auf Gemeindeebene mit dem Insektizid Feneth- carb, das gegen die Imagines eingesetzt und mit Nebelkanonen ausgebracht wurde ( S chnell & S troh 2015). Rasch wurde den Verantwortli- chen aber die Notwendigkeit einer umsichtigen, Belange des Naturschutzes einbeziehenden Vor- gehensweise bewusst. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 1976 die Kommunale Aktionsge- meinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. gegründet ( B ecker & M agin 1986). Ziel ist eine effektive, aber gleichzeitig umwelt- schonende und naturschutzfachlich vertretbare Bekämpfung der Stechmückenlarven. Larven können in Brutgewässern wesentlich effekti- ver bekämpft werden als die sich weitflächig ausbreitenden Imagines. Zwischen 1977 und 1982 kam vor allem Liparol zum Einsatz, eine Mischung aus Sojalezithin und dünnflüssigem Paraffinöl. Es war kein Mittel der ersten Wahl, denn das Zeitfenster für eine Bekämpfung ist klein, da vor allem Viertlarven und Puppen bertroffen sind, es ist relativ teuer und bei Über- dosierung gibt es unwillkommene Nebeneffek- te bei anderen luftatmenden Organismen, also z.B. bei Wasserkäfern und -wanzen ( B ecker & M agin 1986). Seit dem Jahr 1983 liegt der Schwerpunkt auf dem Einsatz von Bti sowie wasserbaulichen Maß- nahmen ( B ecker 1 997, B ecker & L üthy 2017). Erste Freilandversuche mit Bti wurden 1981 und 1982 durchgeführt. Damals wurde in Wasser ge- löster Bti-Puder mit Rückenspritzen ausgebracht. Das wirksame Agens aller Bti-Präparate ist ein vom Bacillus gebildeter Eiweißkörper in Kristall- form, der selektiv auf Stechmückenlarven wirkt und im Freiland innerhalb weniger Tage vollstän- dig abgebaut wird. Um Schäden irgendeiner Art für das Ökosystem der Rheinauen auszuschließen, sollten wissen- schaftliche Untersuchungen klären, nach welcher Methode und in welchem Umfang eine Stech- mückenbekämpfung im Bereich der Rheinauen vertretbar ist. Dabei wird eng mit den örtlichen Naturschutzbehörden zusammengearbeitet. Die Arbeitsschwerpunkte liegen vor allem in fol- genden zwei Bereichen. Zum einen die Suche nach optimalen Bekämpfungsmöglichkeiten:Dies geschieht insbesondere im Hinblick auf umwelt- schonende biologische Verfahren und schließt die Untersuchung von möglichen Nebenwirkun- gen mit ein. Zum anderen die Erforschung der Aut- und Synökologie der Stechmücken ( B ecker 1984 und 1989): Die genaue Kenntnis der Biolo- gie einer Art sowie ihrer vielfältigen Wechselbe- ziehungen in ihrem Lebensraum ist eine Grund- voraussetzung, will man alle Möglichkeiten einer sinnvollen Bekämpfung ausschöpfen und sowohl die möglichen direkten als auch indirekten Schä- den im Ökosystem erkennen und vermeiden. 1.2 Zielsetzung der Arbeit Im Rahmen der genannten wissenschaftlichen Begleituntersuchungen wurden in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren vomVerfasser die Prä- datoren der Stechmückenlarven im Ökosystem der Rheinauen untersucht ( K ögel 1984a). Dabei ist auch umfangreiches Datenmaterial über die Fauna des Untersuchungsgebietes gesammelt worden ( K ögel 1983 und 1984b). Mit der Be- kämpfung der Stechmückenlarven war damals erst begonnen worden. Bti-Präparate kamen erst ab dem Jahr 1983 großflächig zum Einsatz (vgl. Kapitel 1.1). Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die faunistischen Befunde den Zu- stand der Rheinauen vor der systematischen Be- kämpfung mit Bti dokumentieren. Damals stand der Ist-Zustand der Arten/Popula- tionen und ihre Biologie im Fokus des Interesses.
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