Carolinea 77
44 Carolinea 77 (2019) (1) Laccobius minutus (Abb. 27): Imagines über- wiegend Algen (1) Enochrus testaceus : Imagines überwiegend Algen, lebt in den Teppichen von Fadenalgen (1) Berosus frontifoveatus : Imagines Algen, Lar- ven omnivor (2) Cymatia coleoptrata (Abb. 28): carnivor (1) übrige Corixiden: omnivor, auch Fadenalgen, gern in den Teppichen von Fadenalgen (2) Gerriden: carnivor Wenn man Bilanz zieht, stellt man fest, dass vier rein carnivore Arten(gruppen) genannt sind (mit (2) gekennzeichnet). Bei den anderen sechs Arten(gruppen) spielen Algen in der Ernährung eine größere Rolle (mit (1) gekennzeichnet), 3-mal werden explizit Fadenalgen genannt, die Larven der Untergattung Haliplinus ernähren sich sogar obligat von Fadenalgen. Diese Bilanz innerhalb von überwiegend räuberischen Fa- milien legt die Vermutung nahe, der Rückgang etlicher Arten(gruppen) könnte etwas mit Verän- derungen innerhalb der Algenflora zu tun haben. 7 Stechmückenbekämpfung und Naturschutz Diese Arbeit wurde vor allem deshalb initiiert, weil immer wieder Diskussionen aufflammen, ob eine Stechmückenbekämpfung in der Ober- rheinebene ökologisch und unter Berücksichti- gung von Naturschutzaspekten vertreten werden kann. Schon P eus (1930) schrieb in diesem Zu- sammenhang: „Es kann also auch der Fall eintre- ten, daß die Interessen der Mückenbekämpfung hinter diejenigen des Naturschutzes treten müs- sen.“ Für die untersuchten Gruppen konnte nun belegt werden, dass die Stechmückenbekämp- fung im Untersuchungsgebiet keine Auswirkun- gen hatte. Gleichwohl muss jedem ernsthaften Ökologen klar sein, dass die Ergebnisse weder auf andere systematische Gruppen übertragen werden können, noch auszuschließen ist, dass in dem komplizierten Wirkgefüge der Natur Aus- wirkungen vorhanden sein können, die mit den bisherigen Untersuchungsmethoden nicht er- fasst werden konnten. Darüber hinaus erscheint es bezeichnend, dass auch in den Rheinauen ein Artenschwund von annähernd 10 % in den letzten 35 Jahren zu ver- zeichnen war. Dieser kann nicht – ebenso wenig wie der teilweise drastische Rückgang einzelner Arten – direkt der Stechmückenbekämpfung an- gelastet werden. Vielmehr ist er Ausdruck einer generellen, teilweise dramatischen Faunenverar- mung mit beispielsweise bis über 80 % Verlust an Schmetterlingen in der Feldflur (siehe Kapitel 5.2). Davon sind nicht nur intensiv genutzte Flä- chen betroffen, sondern die Eingriffe haben auch Auswirkungen bis hinein in die Schutzgebiete. Wie wir heute wissen, sind die Gründe dafür vor allem der Eintrag von Düngemitteln und Schad- stoffen, aber auch die zunehmende Verinselung. Denn in dem Maße, wie die Kulturlandschaft immer artenärmer wird, ist auch in „guten“ Ge- bieten (meist Schutzgebiete) ein Artenaustausch mit Nachbargebieten schwierig. Das ist aber wichtig für die Stabilität von Ökosystemen. Vor diesem Hintergrund erscheint der Hinweis gerechtfertigt, dass der Naturschutz seine Auf- gaben und Einflussnahmen weiter fassen sollte. Mit dem Ausweisen von Naturschutzgebieten allein kann „die Natur“ nicht gerettet werden. Auch das gesellschaftspolitische Umfeld muss stimmen. Um die Gefährdung und Artenverar- mung unserer Kulturlandschaft, aber auch von ausgewiesenen Schutzgebieten zu vermindern, muss der Gebrauch von Bioziden und Dünge- mitteln strenger reglementiert werden. Es muss offen darüber diskutiert werden, dass Angler und Jäger gravierende Störungen in der Natur (auch in Schutzgebieten) verursachen. Warum sie Sonderrechte erhalten, während Naturfreun- de aus Schutzgebieten ausgesperrt werden, ist nicht nachvollziehbar. R eichholf (z.B. 2015) hat in seinen Publikationen immer wieder auf diese Diskrepanzen hingewiesen. Auch wenn wir nach Gründen für das Verschwin- den bzw. den Rückgang etlicher Arten im Unter- suchungsgebiet fragen, kommen wir bei unseren Überlegungen auf einige der gerade aufgezeig- ten Zusammenhänge. Bei den folgenden Ausfüh- rungen soll zudem berücksichtigt werden, dass ein hoher Prozentsatz an Arten betroffen ist, die sich phytophag, vor allem von Algen, ernähren. Nach jetzigem Kenntnisstand wären insbeson- dere folgende vier Faktoren für die festgestellten Rückgänge zu diskutieren. 7.1 Direkte Toxizität durch Eintrag von Bioziden Schon seit Jahrzehnten wird, vor allem in der Landwirtschaft, ein stetig wachsendes Sortiment an verschiedenen Bioziden, vor allem Insektizide und Herbizide, zur Steigerung der Erträge bzw. Minderung von Schäden eingesetzt. Und seit Jahrzehnten ist bekannt, dass dadurch teilweise gravierende Schäden in der Umwelt verursacht werden. Durch das Festsetzen von Grenzwer-
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