Carolinea 77

M ayer : Historische und aktuelle Verbreitung des Eschen-Scheckenfalters 85 ten seltener als die Weibchen bei der Nahrungs- aufnahme zu sehen. Mit zunehmendem Alter nimmt aber auch bei den Männchen der Nah- rungsbedarf deutlich zu. Insbesondere in der zweiten Hälfte der Flug- zeit, wenn die meisten Weibchen begattet sind, sind auch die Männchen den größten Teil des Tages mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Sie verhalten sich dann ähnlich wie die Weib- chen, indem sie minutenlang auf einzelnen Blü- ten sitzen und wenig Scheu zeigen (der längste bisher beobachtete Saugvorgang eines älteren Weibchens auf einer Blüte der Ackerwitwenblu- me dauerte 17 Minuten, ein Männchen brachte es auf 15 Minuten auf einem Blütenstand von Giersch ( Aegopodium podagraria , Apiaceae). Dieses Verhalten nimmt zum Ende der Flugzeit hin immer mehr zu. Als Nahrungsquellen dienen vorwiegend Blüten verschiedener Kräuter und Sträucher. Zu Beginn der Flugzeit spielen die nicht gemähten Flächen mit dem entsprechenden Angebot an blühenden Kräutern eine wichtige Rolle. Die Verfügbarkeit von ungemähten Wiesen zur Flugzeit mit reich- haltigem Blütenangebot ist ein wesentlicher Fak- tor für den Fortbestand der Art. Alle E. maturna -Standorte, die in der jüngeren Vergangenheit noch besetzt waren (ab den 1990er Jahren), haben als gemeinsames Merk- mal, dass die Nahrungsaufnahme in weiten Teilen auf blühenden Kräutern in Wirtschafts- grünland stattfand. Der erste Schnitt bzw. die Bestoßung durch Weidetiere (insbesondere Rin- der) erfolgt vergleichsweise spät, so dass zumin- dest für einen Teil der Flugzeit ein reichhaltiges Nahrungsangebot für die Falter vorhanden war bzw. ist. Eine Bevorzugung bestimmter Blütenfar- ben, wie das häufig in der Literatur ( F ischer et al. 2017, B olz 2001) angegeben wird, kann nicht bestätigt werden. Vielmehr scheint sich die Wahl nach dem Angebot geeigneter Saugpflanzen zur Flugzeit zu richten. Bevorzugte krautige Nek- tarpflanzen sind insbesondere Korbblütler und Doldenblütler, deren zusammengesetzte Blüten eine große Oberfläche haben, sich dadurch gut anfliegen lassen und reichlich Nektar liefern. Ähnlich verhält es sich mit den Sträuchern Li- guster ( Ligustrum vulgare, Oleaceae) und Roter Hartriegel ( Cornus sanguinea , Cornaceae). Ge- schlechtsspezifische Unterschiede sind bei der Auswahl der Nektarpflanzen nicht zu erkennen. Lediglich Scharfer Hahnenfuß ( Ranunculus acris, Ranunculaceae ) wird vorwiegend von den Männchen genutzt. Die Weibchen fliegen diesen zwar gelegentlich auch an, finden aber wegen des hohen Eigengewichtes und des dann häu- fig abknickenden dünnen Stängels nicht immer optimalen Halt. E bert & R ennwald (1991) nennen als wichtigste Nektarpflanze die Ackerwitwenblume ( Knautia arvensis , Caprifoliaceae). An der aktuellen Fund- stelle in der Kocher-Jagst-Region waren über die Jahre gesehen die Blüten des Wiesen-Pippaus ( Crepis biennis , Asteraceae) die am häufigsten nachgewiesene Nahrungsquelle für beide Ge- schlechter. Im Jahre 2019 konnten besonders viele Beobachtungen an der Acker-Witwenblume gemacht werden, da diese stellenweise das Blü- tenspektrum dominierte. Besonders zur Mitte der Flugzeit spielt der Hartriegel ( Cornus sp., Corna- ceae) als Nektarquelle eine wichtige Rolle. In der zweiten Hälfte der Flugzeit ist vor allem Giersch von Bedeutung, da die meisten anderen potentiellen Saugpflanzen wegen Verblühens oder Mahd nicht mehr zur Verfügung stehen. Die letzten saugenden Falter am Ende der Flugzeit fanden sich daher in vielen Jahren fast aus- schließlich an dieser Pflanze, die dann beson- Abbildung 25. Ein nicht gemähter Saumbereich mit blü- hendem Giersch liefert den Faltern auch gegen Ende der Flugzeit noch Nahrung. Davon profitieren auch an- dere Tagfalterarten; 10.6.2018.

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