Carolinea 78
Carolinea 78 (2020): 15-28, 10 Abb.; Karlsruhe, 29.01.2021 15 Algenbestände an den Molasse-Steilwänden des Überlinger Sees (Bodensee) – früher und heute W olfgang S chütz , L ydia K ing , M arco C antonati & N orbert L eist Kurzfassung Zwischen 2017 und 2019 wurde der Aufwuchs mehre- rer Molasse-Steilwände im Überlinger See (Bodensee) untersucht, um die vor 100 Jahren durch L auterborn und Z immermann erhobenen Befunde mit dem heutigen Zustand zu vergleichen. Eine vor 100 Jahren noch rei- che und ausgedehnte Algenbesiedlung war nur noch in spärlichen Resten vorhanden und nur zu einem kleinen Teil mit dem früheren Artenbestand identisch. Ebenso war die damals ausgeprägte, bis in fast 40 mTiefe rei- chende Zonierung mit ihren charakteristischen Leitar- ten nicht mehr zu erkennen. Auch die weltweit seltene Braunalge Bodanella lauterbornii , ehemals ein wesent- licher Bestandteil des benthischen Aufwuchses, wurde nicht mehr gefunden. Der Bewuchs mit Makrophyten war gering, reichte aber bis in 30 m Tiefe. Als Haupt- grund für den massiven Rückgang der benthischen Besiedlung durch Algen lässt sich unschwer die in den späten 1960er Jahren einsetzende Invasion der Molas- sewände durch die Zebramuschel ( Dreissena polymor- pha ) benennen, die an den betauchten Wänden bis in mindestens 30 m Tiefe ausgedehnte Bestände bildet, seit kurzem zusammen mit der ebenfalls invasiven Art Dreissena rostriformis . Den bei weitem größten Arten- reichtum unter den vorgefundenen Benthosalgen ha- ben die Diatomeen mit 132 Taxa. Auffallend war der ex- treme Unterschied in der Artenzusammensetzung der Diatomeen (Herbstproben) zwischen der oberflächen- nahen (< 15 m) und der tieferen Zone (> 15 m). Die Do- minanz und die weitgehende Beschränkung mehrerer kleinschaliger Taxa (v.a. Nupela sp.) auf Tiefen > 15 m war bisher vom Bodensee nicht bekannt. Abstract Epilithic algae on the steep molasse walls of the Überlinger See (Lake Constance) – past and present The epilithon of steep molasse walls was investigated in Überlinger See (part of Lake Constance) between 2017 and 2019 in order to compare the current condi- tion to the findings of L auterborn and Z immermann from 100 years ago. Only scanty remains of the formerly rich and extensive algal vegetation were found. Moreover, immense changes in phytobenthos species composi- tion have occurred. The formerly pronounced depth zo- nation with its characteristic indicator species, reach- ing almost 40 m down, does no longer exist. Likewise the brown alga Bodanella lauterbornii , which is rare worldwide and was formerly a major component of the epilithon, was not found. The growth of macrophytes was sparse yet reached a depth of 30 m. The main reason for the strong decline in benthic colonisation by algae was obvious: The zebra mussel Dreissena poly- morpha had invaded the molasse walls from the late 1960s onwards. Presently, this species forms extensive beds on the walls up to a depth of 30 m, lately together with the new invader Dreissena rostriformis . The dia- toms showed by far the greatest species richness (132 taxa) among the benthic algae. Most striking was the difference in species composition (autumn samples) between the near-surface samples (< 15 m) and sam- ples from deeper zones (> 15 m). The dominance and extensive restriction to depths > 15 m of a number of species with small frustules was hitherto not known for Lake Constance. Autoren Dr. W olfgang S chütz , Im Jägeracker 28, D-79312 Em- mendingen; E-Mail: wolf.schuetz@gmx.de Dr. L ydia K ing , Basler Landstr. 54, D-79111 Freiburg; E-Mail: brachysira@live.com Dr. M arco C antonati , MUSE – Museo delle Scienze, Corso del Lavoro e della Scienza 3, I-38123 Trento; E-Mail: marco.cantonati@muse.it Prof. Dr. N orbert L eist , Brahmsstrasse 25, D-76669 Bad Schönborn; E-Mail: norbert.leist@t-online.de 1 Einleitung Die ersten Untersuchungen des benthischen Algen-Aufwuchses auf den unterseeischen Mo- lassewänden im Überlinger See reichen mittler- weile 100 Jahre zurück ( L auterborn 1922). Auf den von Kalksinter überzogenen, oft bis in große Tiefen abfallenden Steilwänden fand L auterborn von Algen dominierte krustige Beläge, deren ei- gentümliche Beschaffenheit zu einer weiteren Untersuchung durch Z immermann (1927) führte. Die von L auterborn und Z immermann beschrie- bene Biozoenose fand sich damals nur an den wenigen, steil abfallenden Abschnitten des See- ufers. Einen ausgedehnten Steilufer-Bereich gibt es zwischenWallhausen und der Marienschlucht, einige weitere, deutlich schmälere Abschnitte am gegenüberliegenden Ufer bei Überlingen und Meersburg. An Uferabschnitten mit zu flachem Böschungswinkel kamen die typischen Algen-
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