Carolinea 78

16 Carolinea 78 (2020) krusten nicht vor ( Z immermann 1927). Da eine Be- tauchung in größeren Tiefen um 1920 noch nicht möglich war, entnahmen sowohl L auterborn als auch Z immermann ihre Proben vom Boot aus, mit Hilfe von Schleppnetzen. Mit den Netzen wurden Stücke von der Oberfläche der Steilwände abge- rissen und an die Oberfläche befördert. Weitere Untersuchungen des Aufwuchses auf diesen Molassewänden sind uns nicht bekannt. Seit dieser Zeit haben jedoch die Lebensbe- dingungen für viele Organismen im Bodensee einschneidende Veränderungen erfahren. Be- sonders hervorzuheben sind die Einwanderung von Neozoen, insbesondere der Zebramuschel ( Dreissena polymorpha ) und eine Eutrophierung im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts, die zu Algenblüten und einer generellen Verringerung der Sichttiefen führte ( J ochimsen et al. 2014). Aus- wirkungen auf den benthischen Aufwuchs waren zu erwarten, vor allem durch die in den späten 1960er Jahren einsetzende flächenhafte Besied- lung von Hartsubstraten wie den Molassefelsen durch die Zebramuschel. Um die damaligen Be- funde mit dem heutigen Zustand zu vergleichen, wurden zwischen 2017 und 2019 mehrere Steil- wände von Tauchern der Limnologischen AG des Naturwissenschaftlichen Vereins Karlsruhe inspi- ziert, Proben entnommen und von uns mikrosko- pisch untersucht. Ein weiterer wesentlicher Anlass für die Betau- chungen war zudem die gezielte Suche nach der Braunalge Bodanella lauterbornii . Diese Art wurde erstmals von L auterborn auf den Molas- sewänden gefunden und von Z immermann 1927 als neue Art erkannt und beschrieben. Bodanel- la lauterbornii gilt als eine der seltensten Arten der Welt und wurde weltweit bisher nur an drei Stellen nachgewiesen ( W ehr 2003). Den Anstoß zu der Nachsuche gab die Erstellung einer Roten Liste der Rot- und Braunalgen Baden-Württem- bergs, die eine auf empirischen Daten beruhende Festlegung des Gefährdungsgrades und der Ent- wicklungstendenz einer Art voraussetzt ( S chütz 2019). Untersucht wurde das gesamte Phytoben- thos, also die Lebensgemeinschaft pflanzlicher Organismen einschließlich der Cyanobakterien, die ein Gewässerbett besiedeln. Neben den ben- thischen Algen wurden daher auch Funde von Gefäßpflanzen, Characeen und Moosen erfasst, um mehr über deren Tiefenverbreitung zu erfah- ren. Aus methodischen Gründen wird die Unter- suchung der benthischen Algen getrennt nach Diatomeen und übrigen Algen (PoD = Phytoben- thos ohne Diatomeen) durchgeführt. 2 Methode 2.1 Untersuchungsgebiet Betaucht wurden eine Steilwand bei Wallhausen am 2.9.2017 und mehrere Steilwände bei Über- lingen: am 15.9.2018 beim Seezeichen 24, am 30.3.2019 bei der Liebesinsel und am Mantelhafen. Neben den Algenbelägen wurden die Wände auch nach Characeen, Moosen und Gefäß- pflanzen abgesucht. Die Suche erfolgte in ver- schiedenen Tiefenstufen, in Abständen von 5 m zwischen null und 45 m, wobei das Hauptaugen- merk auf Tiefen zwischen 10 und 35 m lag. In diesem Tiefenbereich siedelte die Mehrzahl der von L auterborn und Z immermann beschriebenen Algengemeinschaften. In der jeweiligen Tiefe wurde, sofern möglich, eine Strecke von etwa 30 m abgesucht. Nach diesem Schema wurden die Wände bei Wallhausen und beim Seezeichen 24 überprüft; ergänzenden Charakter hatten ein- zelne Probenahmen vor der Liebesinsel und dem Mantelhafen. Die Oberfläche von nicht durch Dreissena spp. besiedelten Flächen wurde mit Tauchermessern oder kleinen Gartenhacken abgekratzt und in PE-Weithalsflaschen (1 l) verbracht. Desgleichen wurde mit den vorgefundenen submersen Was- serpflanzen verfahren. Nicht alle Tiefenstufen ergaben auswertbare Proben, v.a. dort, wo eine Tiefenstufe komplett von Muschelbänken besetzt war. Daher konnten nur acht Proben auf Diatomeen untersucht und eine Ähnlichkeitsanalyse durchgeführt werden (Tab. 2). Weiterhin wurde die Steilwand fotogra- fisch und filmisch dokumentiert. 2.2 Mikroskopische Untersuchung der Proben Die Diatomeenproben wurden gemäß den Vor- gaben der Handlungsanweisung ( S chaumburg et al. 2012) durch eine Oxidation mit Wasser- stoffperoxid und Salzsäure aufbereitet. Von der Diatomeensuspension wurden jeweils 300 µl auf Deckgläschen aufgebracht, getrocknet und in Naphrax eingebettet. Auf den Dauerpräparaten wurden jeweils mindestens 400 Diatomeenob- jekte bei 1000-facher Vergrößerung möglichst bis auf Artniveau bestimmt. Das übrige Phytobenthos (PoD) wurde innerhalb weniger Tage nach der Probenahme mikrosko- pisch untersucht. Die Proben wurden anschlie- ßend mit 3 %igem Formaldehyd fixiert. Die mikroskopischen Analysen wurden mit Durchlicht-Mikroskopen (Zeiss Axio Scope A 1 mit DIC und Zeiss Axiolab) mit integrierten digi- talen Kameras durchgeführt.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1Mjc=