Offenhaltungsversuche - artenreiches Grünland erhalten
Inhalt der Versuche:
Die Offenhaltungsversuche sind eine Langzeitversuchsreihe des Landes Baden-Württemberg. Es geht darum, Flächen mit verschiedenen Methoden frei von höherem Bewuchs zu halten. Die Bearbeitung soll möglichst effizient und kostengünstig sein. Dazu gehören Mähen, Mulchen, Beweidung, Kontrolliertes Brennen und eine Kontrollfläche, auf der verfolgt werden kann, wie sich die Natur ohne Eingriffe verändert (Sukzession). Die Versuchsreihe besteht seit 1975.
Koordiniert werden die Versuche durch das MLR (Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz) und durch die LEL (Landesanstalt für Ernährung und Ländlichen Raum). Die wissenschaftliche Auswertung wird von Arbeitsgruppen der Unis Osnabrück, Regensburg und Tübingen übernommen.
Die Versuche finden auf 14 Standorten, verteilt im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb und in der Hohenlohe, statt. Jedes Jahr werden die in den östlichen oder den westlichen Landesteilen gelegenen Flächen besucht und die wissenschaftlichen Ergebnisse öffentlich vorgestellt. Alle 4 Jahre werden die vorhandenen Arten dokumentiert und Veränderungen in der Häufigkeit und Artenvielfalt durch die verschiedene Flächenpflege erfasst. Hierbei werden vorrangig die Gefäßpflanzen dokumentiert. Die Moose, Flechten und Großpilze wurden bislang einmal auf acht ausgewählten Flächen untersucht.
In den Vordergrund rückt zudem die Erhaltung und Pflege von artenreichem Grünland. Anfangs war dagegen das vorrangige Ziel, brachgefallenes Grünland zu erhalten, was zur ursprünglichen Bezeichnung als „Bracheversuche“ führte.
Nutzen dieser Versuche:
Die Erfahrungen aus den Versuchen führen zu Empfehlungen, wie unser Grünland in Zukunft bewirtschaftet werden kann. Auch aus naturschutzfachlicher Sicht sind Kontrolliertes Brennen, Mulchen, Mähen und Beweidung sinnvoll, auch wenn dabei augenscheinlich die Vegetation “vernichtet“ wird. Die Ergebnisse der verschiedenen Bearbeitungen des Grünlandes unterscheiden sich von Standort zu Standort. Daher ist es notwendig mehrere Standorte (14) mit den Pflegemaßnahmen zu bearbeiten, die sich in Lage, Höhe, Temperatur, Bodentyp und weiteren meteorologischen, geologischen und botanischen Faktoren unterscheiden. Nur so können Empfehlungen für vergleichbare Standorte gegeben werden.
Veranschaulichung einzelner Flächen:
Drei Flächen dieser Versuche mit ihren bisherigen Ergebnissen können Sie auf der Seite Versuchsflächen sehen. Auch für Nichtbiologen verständlich.
Wenn Sie noch mehr zu den Offenhaltungsversuchen wissen möchten, finden Sie weiterführende Literatur im Quellenverzeichnis.
- Autor: N. Wehner; Bundesfreiwilliger in der Botanik -
Pflegemaßnahmen
Schlussfolgerungen
- Verschiedene Arten bleiben über lange Zeit in den Flächen, weil sie die Bearbeitungsform benötigen, um sich durchzusetzen. Sobald eine andere Bearbeitungsform angewendet wird, geht ihre Häufigkeit zurück und andere Arten werden häufiger oder treten zum ersten Mal an diesem Standort auf. Seltene und gefährdete Arten wie der Kreuz‑Enzian (Gentiana cruciata) und der Acker-Wachtelweizen (Melampyrum arvense) sind auf eine regelmäßige Bodenstörung angewiesen. Andernfalls werden sie verdrängt und fallen aus.
- Je nachdem, welche Art gefördert werden soll, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden. Die Maßnahmen sind standortbezogen, da Bodenzusammensetzung, Lage, Wasserhaushalt, Klima variieren. Daher kann seitens der Offenhaltungsversuche keine allgemeingültige Empfehlung für jegliche Pflegemaßnahmen gegeben werden, jedoch lassen sich für die Entscheidung vor Ort an den Standort angepasste Empfehlungen ableiten.
- Der Erhalt der Bodendiversität ist genauso wichtig wie die Vielfalt der Pflanzen, die auf ihm wachsen.
- Die Erhöhung der Artenvielfalt auf brachgefallenen und oder artenverarmten Flächen ist oft nur durch Sameneintrag von außen möglich. Die Keimfähigkeit der Samen im Boden ist von Art zu Art unterschiedlich. Die Samen der Grünlandpflanzen, die überwiegend gefördert werden sollen, sind typischer Weise nur wenige Jahre keimfähig. Daher ist es wichtig, am Anfang die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, die die Entwicklung dieser Pflanzen begünstigen. Samen in eine vorhandene Grasnarbe einzubringen, die möglichst geschlossen bleiben soll, ist sehr schwierig. Die Arten bzw. ihre Bestände sollten so verteilt sein, dass es nicht eine einzelne dominierende Art, sondern ein vielfältiges, eng verzahntes Mosaik gibt.
- Die Versuche haben gezeigt, dass die Zunahme der Artenvielfalt auf Brachen grundsätzlich schneller von statten geht als auf intensiv landwirtschaftlich genutzten Grünlandflächen.
Auswirkungen auf die Kryptogamen
Die Offenhaltungsversuche haben sich speziell auf die Gefäßpflanzen fokussiert und nicht primär auf Moose, Flechten, oder Pilze, die unter dem Obergriff Kryptogamen zusammengefasst werden. Dies sind Pflanzen und Pilze, die sich nicht über Samen, sondern Sporen ausbreiten. Für 8 Versuchsstandorte wurden die Kryptogamen dokumentiert.
Erkenntnisse der Untersuchungen:
- Die Anzahl der Großpilze war am größten, wenn dichte und lichte Gefäßpflanzenbestände mosaikartig verteilt sind.
- Das Belassen von kleinen Sukzessionsflächen, auf denen sich die Natur frei entwickeln kann, bis hin zum Aufwachsen von Gehölzen, führt dazu, dass sich dort zahlreiche Epiphytenarten ansiedeln. Dies sind Pflanzen oder Kryptogamen, die an der Rinde lebender Gehölze wachsen (Bild 3).
- Die unterschiedliche Pflege der Bestände nebeneinander führt zu einer artenreichen Flora.
- Das Brennen kann Moose, besonders kleine akrokarpe Moose (die Früchte des Mooses sitzen an der Spitze des Triebes) fördern, die durch das Feuer nicht zerstört werden. Sie wachsen zu dicht am Boden, wo das Feuer im besten Fall nicht wütet.
- Wenn Kryptogamen gefördert werden sollen, ist von regelmäßigem Mulchen abzuraten. Für Gefäßpflanzen wird Mulchen dagegen empfohlen. An diesen Unterschieden kann man sehen, welche verschiedenen Auswirkungen die Pflegemaßnahmen auf Teile der Flora haben. Während eine Maßnahme mehrere Arten fördert, lässt sie andere Arten aus dem Bestand verschwinden.