Phantomspinnen

Attus mannii, eine vergessener Name für die Springspinnenart Heliophanus melinus

Attus mannii Doleschall, 1852 ein vergessener Name für die Springspinnenart Heliophanus melinus

Die Springspinnenart Sandalodes superbus (Karsch, 1878) wurde als Philaeus superciliosus von Bertkau 1883 noch mal beschrieben

Für viele Tier- und Pflanzenarten gibt es heute Kataloge der weltweit beschriebenen Arten. Solche Kataloge (z.B. der World Spider Catalog) führen Namen von Tausenden von Tier- und Pflanzenarten auf. Aber nicht jeder aufgelistete Name bezeichnet auch eine wirklich existierende Art. Viele der Arten wurden seit ihrer Erstbeschreibung, die oft viele Jahrzehnte zurückliegt, nie wieder gefunden. Manche der Artnamen beziehen sich auf Wiederbeschreibungen schon früher beschriebener Arten, sind also jüngere Synonyme. Viele der frühen Beschreibungen waren nämlich zu ungenau, um nah verwandte Arten abgrenzen zu können. Es gibt auch Artnamen, die schlicht nicht benutzt wurden und in Vergessenheit gerieten. Auch in der Arachnologie, der Spinnentierkunde existieren aufgrund der relativ kleinen Zahl aktiver Spezialisten (Taxonomen) und der hohen Zahl an Arten (allein die Webspinnen umfassen mehr als 46.000 beschriebene Arten) eine ganze Reihe von „Phantomarten“.  Solche Karteileichen der Taxonomie werden immer noch in zahlreichen Länderlisten und Bestimmungswerken verwendet. Mitunter verfälschen sie dadurch Statistiken zu Artenzahlen oder Vergleichen der Spinnenfauna verschiedener Länder. Zudem erschweren sie Neulingen den Einstieg in die Arachnologie. Eine internationale Gruppe von Arachnologen unter der Führung von Prof. Rainer Breitling von der Universität Manchester und Theo Blick vom Senckenberg Museum Frankfurt hat diesen Phantomen nun den Kampf angesagt. Unter ihnen befindet sich auch Tobias Bauer, derzeit Wissenschaftlicher Volontär im Referat Zoologie des SMNK. In zwei Artikeln im Fachmagazin „Arachnologische Mitteilungen“ haben die Arachnologen bereits über 150 Phantomarten unter den europäischen Webspinnen (Araneae) identifiziert. Ein kleiner Prozentsatz konnte bereits bekannten Arten zugeordnet werden, doch der Großteil musste als sogenannte „nomina dubia“ klassifiziert werden. Dabei handelt es sich um Artnamen, die aufgrund eines fehlenden Typusexemplars (Individuum, an dem die ursprüngliche Artbeschreibung vorgenommen wurde) und einer mangelhaften Beschreibung auch nach intensiven Bemühungen keiner wirklich existierenden Art zugeordnet werden können. Unter den Phantomarten, die erfolgreich einer bereits bekannten Art zugeordnet werden konnten, war die Springspinnenart Philaeus superciliosus, eine auffallend große Spinne, die schon im Jahre 1883 vom deutschen Zoologen Philipp Bertkau aus der Umgebung von Aachen beschrieben, aber seitdem nie wieder gefunden wurde. Schon zur damaligen Zeit vermutete der Autor, dass es sich bei der Art eventuell um eine eingeschleppte Spezies  handelt. Sie konnte nun nach eingehender Prüfung der Beschreibung als die eigentlich aus dem indoaustralischen Raum bekannte Sandalodes superbus identifiziert werden, welche damals wahrscheinlich mit Farbhölzern nach Deutschland kam. So wurde diese Phantomart nicht nur ihrem bisherigen Schattendasein entrissen, gleichzeitig wurde auch gezeigt, dass es Sandalodes superbus schon vor 130 Jahren mit Importwaren bis nach Mitteleuropa geschafft hat, auch wenn sie hier keine stabilen Populationen bilden konnte. Im Zusammenhang mit zunehmend intensivem Güter- und  Personentransport und dem globalen Klimawandel sind solche Erkenntnisse für die Vorhersage zukünftiger invasiver Arten unter den Spinnen von großem Interesse. Artikel:

Breitling R., Bauer T., Schäfer M., Morano E., Barrientos J. A. & Blick T. (2016): Phantom spiders 2: More notes on dubious spider species from Europe. Arachnologische Mitteilungen/Arachnology Letters.52: 50-77.