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Flechtenfloristische Erforschung des Odenwaldes
fentlichte er die Funde in den zwischen 1940 und
1958 erschienenen 14 Folgen der „Flechten aus
Mitteleuropa“.
Lettau kamnachHeidelberg in der Hoffnung, noch
mit Zwackh-Holzhausen Kontakt aufnehmen zu
können. Doch dessen Gesundheitszustand ließ
einen Besuch nicht mehr zu. Zwackh-Holzhau-
sen starb kurze Zeit später. Immerhin kam Lettau
in enge Berührung mit dessen Sammlung. Er be-
kam von den Erben den Auftrag, die bedeutende
Sammlung zu ordnen, bevor sie verkauft wurde
und in den Besitz des schwedischen Licheno-
logen Vrang (Naturhistorisches Reichsmuseum
Stockholm) überging.
Der vor allemanCladonien interessierte Licheno-
loge W
ALTER
V
OIGTLÄNDER
-T
ETZNER
(1873–1952)
besuchte zwischen 1909 und 1939 wiederholt die
Felsenmeere am Königstuhl bei Heidelberg und
sammelte in großemUmfang Boden bewohnende
Flechten insbesondere der Gattungen
Cladonia
und
Peltigera
. Außer ihm scheint in jenen Jahren
niemand Flechten im Odenwald gesammelt zu
haben. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war
ja auch in anderen Teilen Mitteleuropas alles an-
dere als eine Blütezeit der Lichenologie.
Unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges
begann sich O
TTO
B
EHR
(1901–1957), gerade
aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt,
mit Flechten zu beschäftigen. Unterstützt durch
seinen Lehrer Oscar Klement arbeitete er sich
in vergleichsweise kurzer Zeit in die Gruppe der
Flechten ein. Eine Fülle von Aufsammlungen –
aufbewahrt im Botanischen Museum Berlin-Dah-
lem – aus den ersten Nachkriegsjahren belegen
seinen Eifer in der Erforschung der Flechten sei-
ner neuen Heimat, die nach der Übersiedlung aus
dem Osten Deutschlands nach Michelstadt der
Odenwald wurde. Bereits nach wenigen Jahren
konnte er das Ergebnis seiner Forschertätigkeit
vorlegen – „Die Flechtenflora des Odenwaldes“
(B
EHR
1957a) mit über 500 Sippen. Sein beson-
deres Augenmerk richtete er auf die pyrenocar-
pen Flechten, auch wenn ihm hierbei manche
Fehlbestimmung unterlief, was angesichts der
in jener Zeit schlechten Kenntnis dieser Gruppe
kaum verwundern kann. Er selbst war sich der
diesbezüglichen Unzulänglichkeiten offenbar be-
wusst, setzte er sich nach K
LEMENT
(1957) doch
zum Ziel, „die mitteleuropäischen Arbeiten auf
Basis der Vorarbeiten von Zschacke und Servít
monographisch zu bearbeiten“. Sein überra-
schender Tod im Februar 1957 verhinderte die
Realisierung der für die Zeit nach der Laufbahn
als Lehrer an der Kreisberufsschule vorgesehe-
nen Arbeiten, so wie O. Behr auch die Druck-
legung seiner Arbeiten über „Die Flechten des
Spessarts“ (B
EHR
1957a,b,c) nicht mehr erlebte.
Das Verdienst von Otto Behr besteht vor allem
darin, erstmals eine den gesamten Odenwald
umfassende Flora erarbeitet zu haben. Seine
Leistung muss auch vor dem Hintergrund be-
trachtet werden, dass er in einer Zeit vergleichs-
weise geringer lichenologischer Aktivitäten tä-
tig war. Im Gegensatz zum 19. Jahrhundert, in
der die Lichenologie eine Blütezeit erlebte, war
O. Behr weitgehend auf sich alleine gestellt und
konnte nicht – wie früher üblich – seine Arten-
kenntnis durch rege Tauschaktivitäten überprü-
fen und erweitern. Aus heutiger Sicht kommt
hinzu, dass es durch das weitgehende Fehlen
illustrierter Literatur sehr schwer war, in die Ma-
terie einzusteigen.
Was ihn auszeichnete war sein guter Formen-
sinn, doch konnte er manche Aufsammlung
mangels geeigneter Literatur nicht eindeutig be-
stimmen. Seinem Mentor Oscar Klement, einem
der maßgeblichen deutschen Flechtenkundler
seiner Zeit, übersandte er eine große Zahl von
Belegen zur Überprüfung. Klement hatte jedoch
nicht die Zeit für eine gründliche Untersuchung
der Behr’schen Proben, wodurch es in manchen
Fällen zu einer nicht korrekten Revidierung der
eigentlich richtigen Bestimmung von Otto Behr
durch Oscar Klement kam.