Seite 12 - Andrias 18

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andrias, 18
(2010)
Autoren
Dr. H
ubert
H
öfer
,
Staatliches Museum für Naturkunde
Karlsruhe, Erbprinzenstr. 13, D-76133 Karlsruhe,
­
hubert.hoefer@smnk.de;
Dipl.-Biol. A
strid
H
anak
,
Arbeitsgemeinschaft Vegeta-
tion der Alpen (AVEGA), Seestr. 18, D-86899 Lands-
berg;
Dipl.-Biol. R
üdiger
U
rban
,
Arbeitsgemeinschaft Vegeta-
tion der Alpen (AVEGA), Puchheimer Weg 11, D-82223
Eichenau, buero@avega-alpen.de;
Dipl.-Landsch.-Ökol. I
ngmar
H
arry
,
Büro für Arten-
schutz, Biotoppflege und Landschaftsplanung, Nägele-
seestr. 8, D-79102 Freiburg, ingmariot@gmx.net.
1
Einleitung
Die Alpen sind durch ihre Lage als Hochgebirge
mitten in Europa und die euro­päische Kultur-
geschichte ein einzigartiger und dabei natur-
räumlich besonders diverser und dynamischer
Lebens- und Kulturraum (B
ätzing
2005).
Der
Mensch hat die Ökosysteme der Alpen sehr
früh grundlegend umgestaltet. Teilweise sogar
vor der Urbarmachung der talnahen Gebiete
entstand durch Vergrößerung des höher gele-
genen subalpinen Offenlands mittels Rodungen
die Kulturstufe der Almen (bayerisch-österrei-
chisch) oder Alpen (alemannisch), bestehend
aus gemähten Wiesen und vom Vieh geprägten
Weiden. Dadurch wurde in weiten Teilen des
Alpenraumes die Waldgrenze um ca. 300 m
nach unten gedrückt. Je nach Höhenlage wer-
den die Almen nur wenige Tage bis Wochen für
die Beweidung genutzt. Sie regenerieren sich
während dem noch kürzeren Rest der Vegeta-
tionsperiode, bevor sie vom Schnee bedeckt
werden. Beweidung über einen kurzen Zeitraum
und mit relativ wenigen Tieren, wie sie während
der frühen Nutzung der Alpen erfolgte, erhöht
in der Regel die Vielfalt der Vegetationsstruk-
turen (D
ennis
et al. 1997, G
ardner
et al. 1997,
M
orris
2000).
Es kommt einerseits zu Tritt- und
Störstellen, auf denen sonst dominante Pflan-
zenarten zurückgedrängt werden, andere Arten
aber bevorzugt siedeln. Andererseits gibt es
nur sporadisch genutzte Bereiche mit gerin-
gerem Beweidungseinfluss. Dadurch entstehen
kleinräumige Mosaike mit einer großen Zahl an
Blütenpflanzen in der gesamten Fläche. Eine
erhöhte pflanzliche Struktur- und Artenvielfalt
bietet dann auch einer größeren Anzahl von
Tierarten die entsprechenden Mikrohabitate
(
D
ennis
et al. 2001, M
orris
2000,
P
ersigehl
et
al. 2004, T
scharntke
&
G
reiler
1995).
Die Ve-
getation auf den Weiden hängt eng mit der Art
der Viehhaltung (Koppelhaltung, freier Weide-
gang, Umtriebsweide) und Intensität der Bewei-
dung zusammen (T
opp
1986).
Zum einen hält
eine regelmäßige Beweidung den Baum- und
Krummholzwuchs zurück, zum anderen kann
sie zur Bodenverdichtung und starken Düngung
(
Eutrophieren) der Weideflächen führen. Die
Eutrophierung ist besonders bei Koppelhaltung
von Schafen und an deren bevorzugten Ruhe-
plätzen (Läger) sehr stark.
Über Jahrhunderte extensiver Nutzung sind in
den Alpen artenreiche Offen­landflächen unter-
schiedlicher Ausprägung in Abhängigkeit von na-
türlichen Gegebenheiten (z.B. Geologie, Klima
und biogeographische Lage) sowie der Art der
Nutzung (Art der Weidetiere, Beweidungsinten-
sität) entstanden. In den letzten 100 Jahren hat
sich die Nutzung jedoch stark gewandelt. Wäh-
rend noch vor 100 bis 200 Jahren die Bergland-
wirtschaft eine große Rolle in den europäischen
Alpen spielte, ist sie heute wegen der kurzen
Vegetationszeit, dem geringen Flächenertrag,
erschwertem Maschineneinsatz und Transport
gegenüber der intensivierten Landwirtschaft in
den europäischen Gunstgebieten nicht mehr
konkurrenzfähig und im gesamten Alpengebiet
stark zurückgegangen, in Bayern aber noch
weitgehend stabil. Während die frühe Nutzung
neben der Beweidung mit Rindern, Pferden,
Schafen oder Ziegen immer auch eine Mahd mit
einschloss (Wildheuflächen, Bergmähder) wur-
de diese schwere, zeit- und arbeitsaufwändige
Bewirtschaftung auf den meisten Alpen aufge-
geben. In der traditionellen Almwirtschaft spielte
der sorgsame Umgang mit den natürlichen Res-
sourcen eine wichtige Rolle. Dazu zählte die
Behirtung des Weideviehs, die eine Über- bzw.
Unternutzung durch gezielte Weideführung auf
den Almflächen verhinderte, aber auch der Kon-
trolle des wertvollen Viehbestands diente. Bis in
die Mitte des 20. Jahrhunderts war beispielswei-
se die Behirtung von Schafherden in den Alpen
obligatorisch. Heute werden die Schafe während
der sommerlichen Älpung sich selbst überlas-
sen und nur selten zum Zählen und zur Kontrolle
aufgesucht. Zudem wurden einige Alpen von der
arbeitsintensiveren behirteten Rinderbeweidung
auf Schafbeweidung umgestellt.
Die Auswirkungen von großen, mehr oder we-
niger unbehirteten Schafherden auf subalpin-
alpine Weideflächen sind gravierend. Ungleich-
mäßige Beweidung verursacht an einigen Stellen
extreme mechanische Beanspruchung der Vege-