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Vegetationsentwicklung am Linkerskopf
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Niederschlagsmengen, im Untersuchungsgebiet
über 2000 mm, auszeichnet. Charakteristisch
sind sommerliche Westwinde und winterliche
Südwinde. Die mittlere Jahrestemperatur im
Untersuchungsgebiet (UG) beträgt 4,5°C. Die
Vegetationsperiode dauert etwa 145 Tage. Som-
merliche Starkregenereignisse und relativ hohe
Schneelagen charakterisieren das Gebiet.
Die Ursache für den außergewöhnlichen Arten-
reichtum um den Linkerskopf liegt in den be-
sonderen edaphischen Bedingungen. Gesteine
der Allgäuschichten, vorwiegend Fleckenmer-
gel, herrschen vor. Es handelt sich um graue
bis schwärzliche, bräunlich oder gelblich anwit-
ternde jurassische Mergelgesteine, die deutlich
geschichtet sind und aus abwechselnd festen
und sehr weichen Bänken (S
cholz
1995)
be-
stehen. Der untere Teil zwischen 2000 m und
1750
m ü. NN bis zur Linkersalpe ist aus weich
verwitternden, tiefgründigen und kalkarmen Mer-
geln aufgebaut, die das Substrat für die floristisch
reichhaltigen Allgäuer Blumenberge liefern. Der
eigentliche Gipfelaufbau (ab etwa 1960 m ü. NN)
ist durch ein Gestein gekennzeichnet, das für die
Bayerischen Alpen einzigartig ist. Dieser graue,
scherbige Tonschieferschutt der Allgäuschichten
ist für Vegetationseinheiten zentralalpiner Prä-
gung verantwortlich, wie sie an keinem anderen
Ort der Bayerischen Alpen vorkommen.
Die Vegetation des Unterhanges von der Lin-
kersalpe an bis etwa auf 2000 m ü. NN wird von
mergeltypischen alpinen Rasen der Seslerietea
albicantis und der Nardo-Callunetea, oft im klein-
räumigen Wechsel beherrscht. Zum Teil sind
die Pflanzengesellschaften nicht als isolierte
Einheiten ansprechbar, sondern bilden mergel-
typische Mischrasen unterschiedlichster Asso-
ziationen. Dabei besteht meist ein Grundstock
aus Seslerion-Arten, die mit anspruchsvollen
Arten der Rostseggenrasen durchsetzt und mit
wertgebenden Elementen alpiner Borstgrasra-
sen angereichert sein können. Die Grasschicht
dieser bayernweit einmaligen Bestände wird aus
Hochgräsern der Violett-Schwingelrasen und
Rostseggenrasen gebildet. Dazu zählen Agrostis
agrostiflora, Trisetum flavescens ssp. purpuras-
cens, Avena pubescens ssp. laevigatum, Fes-
tuca puccinelli und Festuca nigrescens. Carex
sempervirens und Agrostis alpina verteten den
Flügel reifer Blaugrasrasen. Avena versicolor ist
ein steter Begleiter aus den Bunthafer-Borstgras-
rasen (Aveno-Nardetum). Diese Durchmengung
setzt sich in gleicher Weise bei den krautigen
Pflanzen fort. Hochrangige Arten, z.T. seltene
Assoziationscharakterarten aus zahlreichen
Gesellschaften fügen sich zu einem einzigar-
tigen Mosaik zusammen. Wie bei den Gräsern
sind Einflüsse der Nardetalia, Seslerietalia und
Molinietalia erkennbar. Die bedeutendsten Vege­
tationsbildner sind Astragalus australis (Ta-
fel 6, a), A. alpinus, A. frigidus, Crepis bocconi,
Hypochoeris uniflora, Lathyrus laevigatus ssp.
occidentalis, Campanula thyrsoides, Cerinthe
glabra, Pulsatilla alpina ssp. alpina, Crepis cony-
cifolia, Laserpitium latifolium, Gentiana purpurea,
Carex aterrima, Lilium martagon und Phyteuma
spicatum ssp. occidentale. Die Verbreitung der
letztgenannten, hellblau blühenden Teufelskralle
ist in den Bayerischen Alpen auf wenige Stellen
der Allgäuer Mergelberge beschränkt. Vervoll-
ständigt werden die artenreichen Bergwiesen
durch Aster alpinus, Hieracium hoppeanum ssp.
hoppeanum, Erigeron alpinus, Senecio doroni-
cum, Androsace chamaejasme, Nigritella nigra,
Traunsteinera globosa und den allgegenwärtigen
Leontodon helveticus.
Neben den oben beschriebenen Mischrasen kom-
men am Linkerskopf aber auch klar abgrenzbare
Pflanzengesellschaften alpiner Kalk- und Silikat­
rasen vor, die hier in besonders arten- und kenn­
artenreichen Formen auftreten. Zu nennen sind
das Seslerio-Caricetum sempervirentis mit den
Charakterarten Leontopodium alpinum, Astra-
galus australis, Hieracium villosum und Senecio
doronicum, das Caricetum ferrugineae in seiner
vollständigen, kennartenreichen Form, das Geo
montani-Nardetum und das Aveno-Nardetum.
Die zuletzt genannte Assoziation ist bayernweit
auf die Hochallgäuer Mergelberge beschränkt.
Gleiches gilt für den Violettschwingelrasen mit Tri-
folium nivale, Trifolium badium, Trifolium thalii und
der namengebenden Art, dem Violett-Schwingel
(
hier in der Kleinart: Festuca puccinellii).
Ab etwa 1950 m ü. NN gehen die geschlossenen
Rasen in immer offenere, scherbige Schutthalden
(
Tafel 5, a) über und beherbergen die „Galions-
figur“ des Linkerskopfes schlechthin, den Glet-
scherhahnenfuß Ranunculus glacialis (Tafel 5,
b). Das Vorkommen der isolierten Restpopula-
tion reicht von hier entlang der Nordabdachung
bis unter den Gipfelaufschwung. Zusammen mit
dem Gletscherbart (Geum reptans, Tafel 6, b)
und dem Rundblättrigen Enzian (Gentiana orbi-
cularis) besiedelt er lange von Schnee bedeckte
Fleckenmergel-Schuttfluren. Aus dieser Nordab-
dachung des Linkerskopfes stammen aus dem
Jahre 1950 zwei Vegetationsaufnahmen von
E. O
berdorfer
(
O
berdorfer
1950).
Er stellte die