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andrias, 19
(2012)
stammungslinien den unabhängigen Verlust von
Plastiden und damit die Rückkehr zur heterotro-
phen Lebensweise (Tafel 1, Abb.1). Die Perono-
sporomycetes (früher Oomycetes) stellen auf
diesem Weg die sowohl zahlenmäßig als auch
hinsichtlich der Differenzierung erfolgreichste Le-
bensform dar. Aus den überwiegend saprobion-
tischen Wasserschimmelpilzen (Saprolegniomy-
cetidae) entstanden mit den Albuginomycetidae
und den Peronosporomycetidae hoch speziali-
sierte Pflanzenpathogene, die durch ihre biotro-
phe Lebensweise im Wirtsgewebe den Sprung
ans Land geschafft haben. Zu den bekanntesten
Vertretern zählen Phytophthora infestans, der
Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartof-
fel, Plasmopara viticola, der Falsche Mehltau am
Wein, oder Albugo candida, der Weißrosterreger
an Brassicaceen.
Die Besonderheit vieler pflanzenpathogener Oo-
myceten besteht in ihrer biotrophen Lebenswei-
se, bei der die lebende Wirtspflanze als dauer-
hafte Nahrungsquelle dient, in den der Erreger
zwar eindringt, sich dann aber vorwiegend in den
Zellzwischenräumen des Gewebes ausbreitet.
Zellwände werden nur punktuell penetriert, um
sich über spezielle „Saugorgane“ (Haustorien)
Zugang zu den benötigten Pflanzenstoffen zu
verschaffen. Äußerlich ist befallenen Pflanzen
zunächst wenig anzumerken. Deutlich sichtbar
wird die Infektion erst, wenn das Pathogen ge-
nügend Kraft gesammelt hat, um sich massen-
haft durch mitotisch erzeugte Sporangien zu ver-
mehren. Die Bildung von Sporangien erfolgt bei
Falschen Mehltaupilzen an Trägern, die aus den
Spaltöffnungen heraus an die Oberfläche gelan-
gen, bei Weißrosten in Lagern unter der Epider-
mis. Sporangien werden durch den Wind verbrei-
tet, bei den Weißrosten erst nach Aufreißen der
Epidermis (Tafel 1, Abb. 2).
Diese Lebensweise – quasi im Verborgenen –
gepaart mit dem Bedarf an spezifischen Pflan-
zenstoffen (vermutlich Sterole), die eine Kultur
vieler dieser Organismen auf künstlichen Medi-
en bisher unmöglich gemacht hat, erschwert die
wissenschaftliche Bearbeitung dieser Organis-
men ungemein. So sind in vielen Fällen bis heute
grundlegende Aspekte aus dem Lebenszyklus
biotropher Oomyceten noch nicht geklärt. Das
schließt Fragen nach dem Modus der sexuellen
Reproduktion, der Überdauerung ungünstiger
Lebensphasen außerhalb des Wirtes oder der
molekularen Mechanismen bei der Infektion ein,
die nicht nur von zentraler Bedeutung für die
Biologie, sondern ebenso essentiell für die an-
gewandte Forschung sind, um Strategien für die
erfolgreiche Kontrolle dieser Organismen in der
Landwirtschaft zu entwickeln.
2 Etablierung von Kultursystemen
Ausgehend von Plasmopara halstedii, dem Erre-
ger des Falschen Mehltaus an Sonnenblumen,
wurden am Institut für Botanik der Universität
Hohenheim in den vergangenen Jahren eine
ganze Reihe von hauptsächlich an Nutzpflanzen
parasitierenden Oomyceten erfolgreich in Kultur
genommen. Dabei zeigte sich, dass die artspezi-
fischen Ansprüche eine individuelle Anpassung
der Kultursysteme notwendig macht. Arten der
Gattung Peronospora keimen beispielsweise aus
Sporangien mit einem Keimschlauch aus, wäh-
rend Pseudoperonospora, Plasmopara oder Pu-
stula zunächst Zoosporen aus den Sporangien
freisetzen, die sich nach einer Phase des Umher-
schwimmens auf der Wirtsoberfläche niederlas-
sen, encystieren und erst dann eine Keimhyphe
ausbilden, die sich mit einem Primärhaustorium
in der Wirtszelle verankert. Bremia lactucae, der
Falsche Mehltau an Salat und anderen Korbblüt-
lern, verfügt gar über beide Keimungsmöglich-
keiten, je nach Temperaturbedingungen. Ähnlich
unterschiedlich sind die Orte der Infektion und
dies selbst innerhalb von Arten derselben Gat-
tung. So bildet Plasmopara halstedii nach der
Encystierung Keimhyphen aus, die über Appres-
sorien aktiv die Epidermis der jungen Sonnenblu-
me durchdringen und so von der Wurzel bis zum
Blatt überall infizieren können. Bei P. viticola und
bei Pustula helianthicola erfolgt die Infektion da-
gegen über die Stomata, zu denen die Zoospo-
ren vermutlich durch Alkylaldehyde („Nonanale“)
geleitet werden, ehe sie in der substomatären
Höhle encystieren und dann auskeimen. Die In-
fektion erfolgt hier also nur an Wirtsorganen mit
Spaltöffnungen, was z.B. erklärt, warum junge
Fruchtstände am Wein nur solange befallen wer-
den, bis die Wachsschicht der heranwachsenden
Beeren die Stomata verschließt. Zugleich stellt
sich die Frage, wie bei Pustula helianthicola unter
natürlichen Bedingungen die Primärinfektion ab-
läuft. Werden die dafür notwendigen Oosporen,
die üblicherweise im Boden überwintern, durch
Spritzwasser auf die Blätter verfrachtet oder er-
folgt der Befall bereits an bodennahen Stomata
des Hypokotyls und bleibt asymptomatisch, bis
sich erst viel später am Blatt die typischen Pu-
steln mit Sporangien zeigen? Die Etablierung