B
öhling
: „
Magic Circles“ in Bärlauch-Beständen, Südwestdeutschland
63
6
Das Agens
Die Entdeckung des Myzels mit seiner violetten
Färbung half weiter, das Agens aufzuklären. L
o
-
thar
K
rieglsteiner
wies auf die phytoparasitäre
Basidiomyceten-Gattung Helicobasidium bzw.
die teils hierher gehörige Anamorphe (asexuelle
oder vegetative Form) Rhizoctonia hin, M
arkus
W
ilhelm
im DGfM-Forum ebenfalls.
Rhizoctonia solanii (Thanatephorus cucumeris)
ist als „Wurzeltöter“ ein häufiger und verbreiteter,
landwirtschaftlicher Schädling (Umfallkrank-
heit, Schwarzbeinigkeit, Weißhosigkeit), der ein
breites Wirtsspektrum besitzt (R
othmaler
1984:
330).
Er befällt Kartoffeln, Zuckerrüben, Karotten
und viele andere Pflanzengruppen, nicht zuletzt
Getreide, Rasengräser, Kreuzblütler, Legumino-
sen, Tulpen, Feigen und Kiefern (C
eresini
2011).
In R
othmaler
(1984: 318)
wird nur eine Helico-
basidium-Art für Deutschland geführt: H. bre-
bissonii (D
esm
.)
D
onk
. (
Synonyme einschließlich
Anamorphen: Rhizoctonia violacea T
ul
.,
Rh. cro-
corum (P
ers
.)
DC., Helicobasidium purpureum
(
T
ul
.)
P
at
),
der „Violette Wurzeltöter“.
Und schließlich war ein Kontakt zu M
atthias
L
utz
,
Universität Tübingen, entstanden. Er untersuchte
die ersten Wurzelfäule-Proben molekularbiolo-
gisch. Im Frühjahr 2011, am 7.4.2011, konnte
dann gemeinsam die sporulierende Form in den
Magic Circles entdeckt werden (Tafel 2 a, b). Die
morphologische und molekularbiologische Un-
tersuchung (M. L
utz
,
R. B
auer
)
ergab, dass die
Probe zu „Helicobasidium longisporum I“ (syn.
H. compactum B
oedijn
(
L
utz
et al. 2004)) gehört.
Ein deutscher Name könnte „Langsporiger Wur-
zeltöter“, „Langsporige Schneckenbasidie“ oder
„
Langsporiger Schnecken-Ständerpilz“ sein.
Umfassende Ergebnisse zur Biologie der Art sol-
len speziell publiziert werden.
7
Helicobasidium und sein „Doppelleben“
Helicobasidien leben in drei morphologisch völlig
verschieden Formen, die früher als drei eigene
Arten unterschieden wurden. Dieses „Doppelle-
ben“ wurde von L
utz
et al. (2004, 2006) aufge-
klärt. In den Magic Circles finden sich zwei der
Formen: die Violette Wurzelfäule auf und in den
Zwiebeln im Boden (sklerotienbildendes „Thana-
tophytum“) und die basidienbildende Form (Heli-
cobasidium an sich) nahe der Bodenoberfläche
unter locker dem Boden aufliegendem Totholz
und anderen festen Strukturen in Bodennähe.
Letztere führt dort ein ebenso heimliches Da-
sein, ein Schattendasein. Die dritte, konidienbil-
dende Form („Tuberculina“) parasitiert Rostpilze,
im Falle von H. longisporum Birnengitterroste
(
Gymnosporangium).
Dass Helicobasidium bzw. Rhizoctonia Allium ur-
sinum parasitiert und zerstört, war bislang nicht
bekannt. Zwar nennt B
randenburger
(1985: 718)
Rhizoctonia crocorum als Parasit der Gattung Al-
lium, aber ein Befall des Bärlauches, Allium ursi-
num, ist wohl bislang nicht dokumentiert.
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Infektion der Bärlauch-Bestände im
Hohen Reisach
Der häufige Birnengitterrost kommt vermutlich
auf den Birnbäumen des nördlich benachbarten
Streuobstgebietes vor.Wenn dort nicht quasi von
Natur aus Tuberculina-Befall vorkommt, könnte
Tuberculina sogar als biologisches Bekämp-
fungsmittel (L
utz
et al. 2004, 2006) gegen Bir-
nengitterrost ausgebracht worden sein.
Von den Streuobstwiesen wird vermutlich hin
und wieder bei geeigneten Windrichtungen und
standörtlichen Konstellationen infiziertes Laub
in Richtung des Waldes geweht. Am Waldrand
gibt es eine deutliche Häufung halbkreisförmiger
Magic Circles, die sich oft auch überlagern und
schneiden. Sie wachsen vom unmittelbaren
Waldrand ins Waldesinnere. Nur einzelne Blät-
ter schaffen es bis tiefer in den Wald hinein und
bilden hier die größten Magic Circles in runder
Form. Die beiden größten MC sind die MC, die
am weitesten imWald liegen (Nr. 6, Nr. 17). Um in
den Wald zu gelangen, sind offene oder vorüber-
gehend geöffnete Waldsäume oder Mündungen
von Rückegassen oder Waldwegen nach Norden
von Bedeutung. Dieses ist im vorliegenden Fall
durchaus gegeben.
Auch die edaphischen Bedingungen für ein
WachstumderThanatophytum-Wurzelfäule-Form
sind gegeben und vielleicht im grundfeuchten
aber nicht nassen Bodenwasserhaushalt sowie
den tonig-lehmigen Bodenarten begründet. Ein
Nordlagen-Klima und ein vergleichsweise kühl-
schattiges, Tendenz durch Verbuchung noch
steigend (B
öhling
2007),
Laubwald-Bestands-
klima sowie die Ozeanisierung und Erwärmung
des Klimas im Raum (B
öhling
2003, 2008)
mö-
gen weiter dazu beitragen, dass der Pilz, der
das ebenfalls stark zunehmende Allium ursinum
(
B
öhling
2003, 2008)
selektiv befällt, inzwischen
relativ häufig auftritt. Bemerkenswert ist, dass die