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carolinea, 69
(2011)
Infektionen zur Zeit aber meist (noch?) einzeln
auftreten. Angesichts der zu erwartend hohen
Zahl in den Wald gelangender Helicobasidium-
Thanatophytum-Sporen ist die Zahl der tatsäch-
lich erfolgreichen Infektionen derzeit gering.
Die ermittelten Altersschätzungen lassen er-
kennen, dass Helicobasidium longisporum wohl
in Wellen, vielleicht vier, in den Wald kam, zu-
erst vor etwa 18 bis 25 Jahren. Das wäre 1986
bis 1993 gewesen. Auch für den langjährigen
Kirchheimer Forstamtsleiter (i.R.) und Förde-
rer der waldökologischen Untersuchungen,
U. H
auck
,
wie für den Leiter (i.R.) des benach-
barten ökologischen Lehrreviers Lenningen,
Dr. W
ulf
G
atter
(
G
atter
2000),
sind die Magic
Circles ein neuartiges Phänomen. In den ver-
gangenen vier bis fünf Jahren sind keine neuen
MC entstanden.
Ergänzt sei hier, dass auch in den bärlauchrei-
chen Wäldern Göttingens bislang keine Magic
Circles beobachtet wurden (Prof. H D
iersch
-
ke
,
Prof. W. S
chmidt
;
Mitteilungen im August
2011).
R
ödel
(1995)
fand 1989 und 1991 Helicobasidi-
um longisporum (publiziert als H. compactum),
wohl erstmals in Deutschland und zwar im wär-
meliebenden Leipziger Auwald. Er zitiert auch
einen allerdings sterilen Fund aus der Schweiz
aus dem Jahr 1992. Bis dahin habe es nur einen
einzigen Fund in Europa gegeben, nämlich 1974
in Großbritannien. Alle vorherigen Funde stam-
men aus den Tropen und Subtropen, wo die Art
an zahlreichen Pflanzen vorkommen soll, z. B.
auf Vertretern der Tiliaceae (Actinophora), Legu-
minosae (z. B. Albizzia), Araucaria, Coffea, He-
vea, Indigofera, Pinus, Thea und Urtica (R
ödel
1995
nach R
eid
1975).
Das Verbreitungsgebiet
erstreckte sich bisher auf Tansania und Südafri-
ka, Ceylon, Indien, Java und Sumatra, Queens-
land, Brasilien, El Salvador und Guatemala. Der
Typus stamme von Java. R
ödel
(1995: 39)
ver-
merkt aber schließlich auch, dass zu vermuten
ist, „dass die Art häufiger als bisher angenom-
men wurde“ verbreitet ist (in Deutschland). Einen
weiteren Fund (unter H. compactum) publizierte
K
rieglsteiner
(1999),
der in einem wärmebegün-
stigten Schlehengebüsch in Mainfranken fündig
wurde. M
atthias
L
utz
bezeichnet die Art als der-
zeit nicht selten.
Es sieht also so aus, als würde sich auch Helico-
basidium longisporum derzeit wie andere Arten
als Folge des Klimawandels, der Erwärmung,
ausbreiten. Im Untersuchungsgebiet erhöhten
sich die Temperaturwerte ungefähr seit Beginn
der Untersuchungen im Hohen Reisach. Lag die
Jahresmitteltemperatur in den 1970er Jahren bei
8,5
bis 9 °C, so ist sie bis heute auf 10,5 bis 11 °C
gestiegen (siehe B
öhling
2008,
.
uni-hohenheim.de/_langjaehrige_grafiken.html,
stat. 24.8.2011). Seit den 1970er Jahren stieg die
Jahresmitteltemperatur damit um ca. 2 °C.
Zu klären ist, ob Helicobasidium longisporum
wirklich erst in den letzten Jahrzehnten oder
erneut in Europa auftritt, und welche Rolle die
Funktion als biologisches Schädlingsbekämp-
fungsmittel spielt.
9
Befall und Regeneration des Bärlauchs
Helicobasidium longisporum wirkt selektiv auf
Allium ursinum-Zwiebeln, wobei vielleicht die
oft fungiziden Allyl-Senföle ihm sogar den Weg
zeigen. Es wirkt aber nicht auf dessen Samen.
Wenn im Spätsommer bis Herbst die Aufzehrung
der Zwiebeln erfolgt, haben dieselben Pflanzen
schon Samen produziert und freigesetzt, die im
vorjährig entstandenen Blößering auswachsen
und Jungpflanzen produzieren, sodass allmäh-
lich besagte Regenerationsinseln entstehen.
Möglicherweise ist das Aufwachsen von jungem
Bärlauch auf den Magic Circles gegenüber der
generativen Regeneration auf nicht von Helico-
basidium befallenen Böden gehemmt und erst
nach mehreren Jahren „normal“. Dies ist aus ver-
gleichenden Geländebeobachtungen zu schlie-
ßen.
Der Pilz scheint aber nur eine Richtung zu ken-
nen: geradeaus, weg vomEntstehungsort.Dieses
Verhalten wird auch bei die Wuchsrichtung blo-
ckierenden Baumbasen deutlich. Helicobasidium
wächst im Hohen Reisach nicht seitwärts und
erst recht nicht rückwärts.
Einzelne Bärlauchpflanzen werden hin und wie-
der von der Wurzelfäule verschont.
10
Ausblick
Galt der Bärlauch zuletzt als sehr konkurrenz-
kräftig und invasiv (B
öhling
2003, 2008),
muss
jetzt ein Fragezeichen gesetzt werden. Zwar ist
er mit seinen Knoblauchölen relativ gut vor Fraß
geschützt, seine Zwiebeln verankern ihn in einer
schützenden Bodenzone, er ist mehrjährig, sein
starkes Wachstum unterdrückt Konkurrenten und
er profitiert mit seiner Schattenverträglichkeit von
der aktuellen Waldbewirtschaftung. Wenn aber