6 Heidelberg – einst und jetzt
Alt-Heidelberg, du Feine,
Du Stadt an Ehren reich,
Am Neckar und am Rheine
Kein’ andre kommt dir gleich
J. V. von Scheffel – Lied aus dem „Trompeter
von Säckingen“ (zitiert aus: V
OLK
1900)
Heidelberg und dessen nähere Umgebung war
insbesondere im 19. Jahrhundert immer wieder
Ziel von Flechtenkundlern.Begünstigt wurde dies
durch die Heidelberger Universität, an der viele
naturkundlich interessierte Personen studierten
(z.B. Alexander Braun, Karl Friedrich Schimper,
später auch Georg Lettau) oder als Professoren
(z.B. Johann Heinrich Dierbach, Heinrich Georg
Bronn) bzw. Privatdozenten (Wilhelm Elias v. Ah-
les) lehrten.
Am innigsten verbunden ist die Erforschung der
Flechten des Heidelberges Raumes aber mit der
Person namens Philipp Franz Wilhelm Ritter v.
Zwackh-Holzhausen. Seine sich über mehrere
Jahrzehnte erstreckende Sammeltätigkeit er-
brachte eine Fülle von Arten, von denen einige
bis dahin im engeren Mitteleuropa noch nicht be-
kannt waren.
Die von Zwackh-Holzhausen aufgesuchten Ört-
lichkeiten sind überwiegend recht genau be-
schrieben, weshalb ihre Lokalisierung in aller
Regel keine großen Schwierigkeiten bereitet.
Dabei fällt auf, dass bestimmte Lokalitäten ziem-
lich oft Erwähnung finden, was einerseits auf eine
größere Artenfülle, andererseits auch auf eine
häufigere Frequentierung bestimmter Stellen
hindeutet. Zu den lichenologisch bedeutsamsten
Gebieten um Heidelberg zählte zweifelsohne der
Höhen von über 500 m erreichende Gebirgszug
südlich vom Neckar. Die höchste Erhebung ist
der „Hausberg“ Heidelbergs, der 567 Meter hohe
Königstuhl. Allein in jenem eng begrenzten Be-
reich hat Zwackh-Holzhausen etwa ein Drittel
der von ihm nachgewiesenen Arten gefunden.
Die folgende Auflistung von Epiphyten vermittelt
eine Vorstellung von der einstigen flechtenkund-
lichen Bedeutung dieser Lokalität.
Keine der 75 angeführten Arten konnte im Rah-
men der aktuellen Kartierung dort noch nachge-
wiesen werden. Einige der angeführten Flechten-
arten, insbesondere Angehörige der Gattungen
Lobaria
,
Nephroma
,
Sphinctrina
,
Usnea
oder die
inzwischen in ganz Deutschland ausgestorbenen
Conotrema urceolatum
und
Maronea constans
,
lassen auf die Existenz alter naturnaher Laub-
wälder zumindest in Teilbereichen schließen.
Acrocordia gemmata
Megalaria grossa
Arthonia byssacea
Megalaria pulverea
Arthonia cinnabarina
Menegazzia terebrata
Arthonia elegans
Micarea cinerea
Bacidia laurocerasi
Micarea melaena
Bacidia rosella
Mycobilimbia hypnorum
Bacidia subincompta
Mycoporum antecellens
Bacidia trachona
Mycoporum elabens
Bacidina assulata
Mycoporum fuscocinereum
Buellia schaereri
Nephroma parile
Calicium trabinellum
Ochrolechia pallescens
Caloplaca obliterans
Opegrapha lithyrga
Catinaria atropurpurea
Opegrapha variaeformis
Cetrelia cetrarioides
Opegrapha vulgata
Chaenotheca brunneola Pachyphiale fagicola
Chaenotheca stemonea Pannaria conoplea
Cladonia cornuta
Parmeliella triptophylla
Cladonia decorticata
Parmotrema crinitum
Cladonia parasitica
Parmotrema perlatum
Conotrema urceolatum
Pertusaria hymenea
Cybebe gracilenta
Pertusaria pustulata
Dimerella lutea
Pertusaria trachythallina
Enterographa hutchinsiae Phlyctis agelaea
Fellhanera bouteillei
Protothelenella corrosa
Fuscidea lightfootii
Psilolechia clavulifera
Fuscopannaria
Pyrenula coryli
leucophaea
Ramalina fastigiata
Gyalecta truncigena
Ramalina fraxinea
Heterodermia japonica
Rinodina confragosa
Hymenelia ceracea
Schismatomma pericleum
Lecanora albellula
Sphinctrina anglica
Lecanora strobilina
Sticta sylvatica
Lecanora subintricata
Strigula stigmatella
Lecidea exigua
Thelopsis rubella
Lobaria pulmonaria
Thrombium epigaeum
Lobaria scrobiculata
Trapeliopsis gelatinosa
Lopadium disciforme
Usnea ceratina
Maronea constans
Usnea florida
Heutzutage ist der Bereich des Königstuhls
überwiegend durch relativ naturferne Mischwald-
bestände und Nadelholzforste mittleren Alters
geprägt. Die Gipfellage ist zudem mit einer Rei-
he von Gebäuden bestanden, die – begünstigt
durch eine Zahnradbahn – u.a. auch dem Frem-
denverkehr dienen.
Welche Bedeutung bereits einzelne alte Laub-
bäume für das Vorkommen bestimmter Flechten-
arten haben, zeigt sich darin, dass heute an ent-
sprechenden Bäumen am Königstuhl-Nordhang
noch
Anisomeridium macrocarpum
(an Linde),
Bacidia incompta
(an Ulme),
Lecanactis abietina
(an Birke) und
Thelotrema lepadinum
(an Linde)
festgestellt wurden.
Die Nordostflanke des Königstuhls ist stark mit
Sandsteinblöcken überlagert, die in Geländeein-
schnitten durch Solifluktionsvorgänge zu teilwei-
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