H
öfer
et al.: Einödsberg-Projekt
21
3.5
Welche Faktoren prägen Artenreichtum
und Zusammensetzung der Arthro-
podengemeinschaften?
Als wichtige Faktoren für die Zusammensetzung
der Arthropodengemeinschaften sind die geo-
morphologischen Bedingungen und das Mikro-
klima an den Standorten zu nennen. So zeigen
sich deutliche Unterschiede in den Artenasso
ziationen der Standorte entlang der Höhe. Auch
die Exposition der Standorte beeinflusst die Ar-
tenzusammensetzung, wie besonders an den
wärmebegünstigten Standorten deutlich wird.
Durch die Untersuchung einiger Standorte auf
Hauptdolomit konnte zudem ein deutlicher Ein-
fluss des Ausgangsgesteins gezeigt werden.
Durch seine exponierte Lage und Höhe bei
gleichzeitiger Begünstigung durch die Einstrah-
lung gegenüber dem steilen Westhang bietet der
Grat besondere Bedingungen. Hier liegen so-
wohl für Spinnen wie für Laufkäfer die arten- und
individuenreichsten Standorte. Ein Grund für den
Individuenreichtum könnte die hohe Produktivität
der Gratstandorte sein, die über die hohe pflanz-
liche Biomasse auch die Zahl und Diversität
der Konsumenten erhöhen dürfte (vgl. K
ruess
&
T
scharntke
2002,
S
iemann
et al. 1998) und reich-
haltige Strukturen (z.B. Grasbüschel, krautige
Pflanzen) und damit Raum und Schutz vor den
in Gipfel- bzw. Gratlagen extremen mikroklima-
tischen Bedingungen liefert (vgl. M
orris
2000).
Ein auf den Artenreichtum positiv wirkender
„
Gipfeleffekt“ ist allerdings auch in beinahe vege-
tationslosen Gebieten nachweisbar, und an an-
deren hochproduktiven Standorten wirkt sich ein
hoher Raumwiderstand auf laufaktive Spinnen
und Laufkäfer eher negativ aus. Zu beachten ist
aber, dass im Untersuchungsgebiet die extrem
hohen Aktivitätsdichten während der Fortpflan-
zungszeit (v.a. der Wolfspinnen) gleich nach der
Schneeschmelze auftreten, wenn die Vegetation
noch keinen so hohen Widerstand bietet.
Hohe pflanzliche Produktivität ist zwar imWeide-
gebiet besonders von der Eutrophierung durch
die Schafe verursacht, aber durchaus auch
an unbeweideten Graten (Söllereck und Berg-
gächtle) zu beobachten. Die basen- und tonrei-
chen Mergel verwittern verhältnismäßig schnell
und tragen so zur Bodenbildung und Nährstoff-
versorgung bei. Die Schneeauflage, die am Grat
aufgrund von Verwehungen besonders lange
anhält, und die damit verbundene verkürzte Ve-
getationszeit führen zu einem unvollständigen
Abbau der Pflanzenreste und zur Akkumulation
organischer Substanz. Dadurch kommt es zu
einer hohen Mächtigkeit der Humusauflage. In
Gebieten mit Dolomitgestein ist dieses Phäno-
men nicht zu beobachten. Die hohe Produktivi-
tät, verbunden mit hoher Bodenfeuchte und dem
geringen Raumwiderstand entlang der Ränder
von Schneefeldern, trägt zum faunistischen Ar-
tenreichtum der Gratlagen bei.
Bei den Spinnen unterscheiden sich besonders
stark die Zönosen der Offenlandstandorte von
Grünerlen- und Waldstandorten. Dabei spielt das
Vorhandensein einer Streuauflage aus den Blät-
tern bzw. Nadeln eine große Rolle. Bei Laufkäfern
ist der Unterschied zwischenWald und Offenland
deutlich geringer. Allgemein wurden viele in der
Literatur als stenotope Waldarten bezeichnete
Arten in den untersuchten Offenflächen häufig
gefunden. Andererseits konnten einige in der
Literatur als alpin verbreitet (und damit auf Of-
fenland beschränkt) eingestufte Arten in den un-
tersuchten montanen Waldstandorten in hohen
Dichten festgestellt werden. Diese fehlen in den
offenen Lebensräumen der niedrigen montanen
Stufe (Oreonebria picea) oder sind hier deutlich
seltener (Pterostichus jurinei). Die Temperatur-
messungen zeigten, dass in den bewaldeten
Standorten deutlich niedrigere Temperaturen als
auf gleicher Höhe im Offenland herrschen. Auch
unter den Grünerlen ist es im Sommer deutlich
kühler als am Grat. Entsprechend finden viele
Arten in zonal sehr unterschiedlichen Habitaten
geeignete Bedingungen für die Reproduktion. Die
klassische Einteilung in Waldarten und Offenlan-
darten gilt also nach unseren Untersuchungen
für die Laufkäfer in den Alpen nicht.
3.6
Wie stark hat sich die Fauna durch die
intensive Schafbeweidung verändert?
Der Einfluss der langjährigen intensiven Bewei-
dung zeigt sich an außerordentlich hohen Aktivi-
tätsdichten und Dominanzen von vier Wolfspin-
nenarten. An den botanisch stark veränderten
Gratstandorten dominiert die alpine Art Pardo-
sa oreophila, die ihren Verteilungsschwerpunkt
eigentlich über 2000 m hat sowie die eurytope
und störungstolerante Offenlandart Alopecosa
pulverulenta. Vor allem die stark eutrophierten
Gratstandorte sind wohl durch die hohe Produk-
tivität durchgängig individuen- und artenreicher
als die Nardeten-Standorte der steilen Hänge.
Höhere Artenzahlen am Grat sind aber auch
bedingt durch dort anlandende „Flieger“, über-
wiegend eurytope Zwergspinnen wie Erigone-,
Gonatium- und Oedothorax-Arten und das Auf-
treten einiger nur in größeren Höhen vorkom-