Andrias 19 - page 20

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andrias, 19
(2012)
cherten Pavillon in Blankenhorns Weingut im Kai-
serstuhl wieder entdeckten Heckerrebe ist inzwi-
schen im Botanischen Garten des KIT zu sehen.
Wie gehen wir vor?
Grundlage der Untersuchungen ist eine umfang-
reiche Sammlung von Wildreben aus aller Welt,
die im Botanischen Garten aufgebaut wurde und
die inzwischen fast alle Arten der Gattung Vitis
(Weinreben) umfasst. Zunächst einmal soll ver-
standen werden, wie sich Wildreben gegen die-
se Pilzkrankheiten zur Wehr setzen. Dabei wur-
de festgestellt, dass unsere anfällige Kulturrebe
durchaus ähnliche Abwehrreaktionen zeigt wie
resistenteWildarten aus Nordamerika und Asien.
Sie reagiert jedoch zu spät, so dass der Erreger
schon nicht mehr zu besiegen ist. Die resistenten
Wildarten sind also offenbar schneller alarmiert
und können ihre Abwehr schneller mobilisieren.
Wenn wir wüssten, wie sie den Erreger wahr-
nehmen, könnten wir daraus eine Art „Impfung“
entwickeln, um auch bei unserer Kulturrebe die
Abwehrreaktionen zu beschleunigen.
Wenn man etwas bekämpfen will, dann muss man
es erst einmal sehr gut kennen lernen. Daher wird
der Lebenslauf des Falschen Mehltaus sehr ge-
nau untersucht. Dies ist nicht ganz einfach, da sich
das meiste im Innern des Blattes abspielt, so dass
modernste mikroskopische Verfahren eingesetzt
werden müssen, um den Pilz sichtbar zu machen.
Bei diesen Untersuchungen wurde eine Art „che-
mischer Dialog“ entdeckt, mit dem der Erreger die
Weinpflanze überlistet und in die Blätter eindringt.
Wenn es gelänge, die „Worte“ dieses „Dialogs“ zu
verstehen, könnte der „chemische Dialog“ so be-
einflusst werden, dass es zu „Missverständnissen“
kommt und der Falsche Mehltau so lange behindert
wird, bis die Kulturrebe ihre Abwehr mobilisiert hat.
Was ist dabei herausgekommen?
Vor allem für den Falschen Mehltau wurden in-
zwischen sehr genaue Einblicke in die einzelnen
Schritte des Befalls gewonnen. Die Daten wurden
in ein Vorhersageprogramm desWeinbauinstituts
Freiburg eingegeben und helfen nun denWinzern
dabei, den besten Zeitpunkt für die Spritzung zu
bestimmen und so die Menge an Fungiziden zu
vermindern – es dauert nämlich nur knappe 15
Minuten, bis die geschlüpften Sporen die Spalt-
öffnungen der Pflanze gefunden haben und dann
im Innern des Blattes verschwinden, wo ihnen
Fungizide recht wenig anhaben können.
In evolutionsbiologischen Untersuchungen kam
es zu einer Überraschung: Auf chinesischen
Wildreben finden die Sporen die Spaltöffnungen
nicht mehr und können nicht in das Blatt eindrin-
gen. Sie versuchen dann, auf der Oberfläche zu
wachsen, gehen aber nach wenigen Tagen ein.
Offenbar werden sie durch den „Mundgeruch der
Pflanze“ zu den Spaltöffnungen gelenkt. In Zu-
sammenarbeit mit Prof. B
oland
vom Max-Planck-
Institut für Chemische Ökologie in Jena konnte
mithilfe hochempfindlicher „chemischer Nasen“
(Gaschromatographie in Verbindung mit zweidi-
mensionaler Massenspektrometrie) der „Mund-
geruch“ identifziert werden – ein kleiner Aldehyd
namens Nonanal. Dieser ensteht bei der Bildung
von Spaltöffnungen, weil an dieser Stelle die
Cuticula, eine luftdichte Schicht auf der Blatto-
berfläche, abgebaut wird, um den Gasaustausch
für die Photosynthese möglich zu machen. Bei
den chinesischen Wildreben scheint Nonanal
auch noch an anderen Stellen zu entstehen, was
die Sporen „verwirrt“. Als Probe aufs Exempel
wurden die hochanfälligen Blätter des ‚Müller-
Thurgau’ mit Nonanal parfümiert und siehe da
– die Blätter waren nun auf einmal gegen den
Falschen Mehltau gefeit (Tafel 8, Abb. 11).
Mehr oder weniger zufällig entdeckten wir im Rah-
men eines Erhaltungsprojekts des Botanischen
Gartens, dass einige Sippen der fast ausgestor-
benen Europäischen Wildrebe (Vitis vinifera silve-
stris), der Stamm-Mutter unserer Weinrebe, eben-
falls über diesen „Trick“ verfügen. Gemeinsam
mit dem Julius-Kühn-Institut in Siebeldingen wird
nun versucht, diesen „Trick“ über Kreuzung in den
‚Weißburgunder‘ einzubringen. Da das Erbgut der
Weinrebe inzwischen vollständig sequenziert ist,
gibt es zahllose Marker, mit denen man schon
in den Sämlingen dieser Kreuzung vorhersagen
kann, welche Eigenschaften sie als ausgewach-
sene Pflanzen haben werden (die Technik ist
dieselbe, wie man sie beispielsweise beim Vater-
schaftstest einsetzt). Durch solche molekularbiolo-
gischen „Vaterschaftstests“ muss man nicht mehr
viele Jahre warten, bis die Reben ausgewachsen
sind, sondern kann viel Zeit einsparen. Das ist
auch notwendig – die Natur schläft nämlich nicht.
Schon gibt es die ersten Stämme des Falschen
Mehltaus, die auf PiWis wachsen können.
Ausgewählte Publikationen
C
hang
, X., H
eene
, E
l
, Q
iao
, F. & N
ick
, P. (2011):
The phytoalexin resveratrol regulates the initia-
tion of hypersensitive cell death in Vitis. – PLoS
One,
6
: e26405.
1...,10,11,12,13,14,15,16,17,18,19 21,22,23,24,25,26,27,28,29,30,...376
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