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andrias, 19
(2012)
als gleichwertige Abteilung Molekulare Phytopa-
thologie, dazu. Das Team wurde durch die Abtei-
lung Genetik, in der das Mais-Pathogen Ustilago
maydis untersucht wird, im Jahre 2008 weiter
verstärkt. Die botanische Abteilung Molekulare
Zellbiologie beschäftigt sich in einigen Projekten
ebenfalls mit phytopathogenen Pilzen. So hat sich
aus einem Botanikprofessor, der sich vor mehr als
100 Jahren für Pilze interessierte, heute eine For-
schungslandschaft mit mehr als 60 Mitarbeitern,
bestehend aus mehreren Professuren, vielen
Doktoranden und Masterstudenten entwickelt.
2 Saprobe Schimmelpilze – von der
Grundlagenforschung zur Anwendung
(Leiter der Arbeitsgruppe:
Prof. Dr. R
einhard
F
ischer
, seit 2004 am KIT)
Ewiges Spitzenwachstum – die
Wuchsform filamentöser Pilze
Eine faszinierende Eigenschaft filamentöser
Pilze ist das fädige Wachstum. Die Pilzfäden
können prinzipiell unendlich weit wachsen, so
dass pilzliche Individuen viele km
2
einnehmen
können und die größten Organismen der Erde
darstellen. Das Wachstum ist auf die Spitze der
Hyphen beschränkt und erfordert die kontinuier-
liche Fusion von sekretorischen Vesikeln mit der
Membran. Dadurch werden Enzyme, die für die
Zellwandbiosynthese benötigt werden, ausge-
schieden. Außerdem wird durch die Fusion der
Membranvesikel die Cytoplasmamembran stän-
dig vergrößert. Durch den intrazellulären Druck
wird die Hyphe schließlich vorne verlängert.
Eine spannende Frage betrifft die Markierung
der Hyphenspitze als Wachstumszone. Warum
wächst eine Pilzzelle nur an der Spitze? Diesem
Phänomen geht die Arbeitsgruppe von Professor
F
ischer
nach. Sie hat Proteine entdeckt, die an
der wachsenden Hyphenspitze lokalisiert und für
eine Ausrichtung des Aktincytoskeletts verant-
wortlich sind. Fehlt eine dieser Komponenten,
wachsen die Pilzhyphen nicht mehr gerade, son-
dern in Mäandern (Tafel 1, Abb.1).
Pilze „sehen“ rotes und blaues Licht
Betrachtet man die Fruchtkörper vieler Pilze in
unseren Wäldern, ist gleich offensichtlich, dass
es sich um sessile Lebewesen handelt, die sich
nicht durch aktive Bewegung verbreiten können.
Dennoch sind es gerade diese Fruchtkörper, die
durch Bildung von Abermillionen mikroskopisch
kleiner Sporen und mit Hilfe von Wind und Was-
ser die Verbreitung der Organismen gewährlei-
sten. Da es sich um komplexe Strukturen han-
delt, erfordert die Bildung der Fruchtkörper und
der Sporen eine regelrechte Umprogrammie-
rung der Pilzzellen. Klar, dass der Startschuss
zur Bildung der Fruchtkörper genauestens ge-
steuert werden muss. Jeder Pilzsammler weiß,
dass viele Arten vor allem bei feuchtem Wetter
zu finden sind. Ein weiterer wichtiger Parameter
ist die Erkennung der Bodenoberfläche. Pilzhy-
phen leben vor allem im Boden, im Verborgenen.
Die Bildung der Fruchtkörper hat aber nur an der
Bodenoberfläche einen Sinn. Eine Ausnahme
bilden Trüffeln, die ihre Fruchtkörper unterirdisch
bilden und zu ihrer Verbreitung auf Tierfraß ange-
wiesen sind. Licht zeigt dem Pilz, ob er im Boden
oder auf der Oberfläche wächst. Deshalb ist es
nicht verwunderlich, dass Pilze in der Evolution
ein ausgeklügeltes Lichtwahrnehmungssystem
entwickelt haben. Sie besitzen mehrere Photo-
rezeptoren, die blaues, rotes oder grünes Licht
wahrnehmen können.
Die Gruppe von Professor F
ischer
untersucht
die Lichtwahrnehmung im Modellorganismus
Aspergillus (Emericella) nidulans und hat kürz-
lich Blaulicht- und Rotlichtrezeptoren entdeckt,
die sogar miteinander interagieren. Der Rot-
lichtrezeptor ist Phytochrom, der zentrale Licht-
regulator auch in Pflanzen. Die Entdeckung von
Phytochrom in Pilzen eröffnet ganz neue Mög-
lichkeiten, die Funktion des Rezepters zu verste-
hen (Tafel 2, Abb. 2).
Gift oder Medikament – Untersuchung
des pilzlichen Sekundärmetabolismus
Pilze zeichnen sich durch einen äußerst mannig-
faltigen Sekundärmetabolismus aus. Produkte
dieses Sekundärmetabolismus umfassen sowohl
für den Menschen nützliche Substanzen wie auch
krebserregende oder lebensgefährliche Mole-
küle. Zu den nützlichen Substanzen zählen viele
unserer Antibiotika oder andere Medikamente,
während z.B. das Gift des Knollenblätterpilzes
äußerst gefährlich ist und oft zu Todesfällen führt.
Schimmelpilze bilden meist keine akut toxischen
Verbindungen, sondern viele Stoffe mit karzino-
genem oder teratogenem Potenzial. Dazu zäh-
len Aflatoxin, Ochratoxin oder auch Alternariol.
Deshalb werden unsere Lebensmittel hinsicht-
lich des Toxingehaltes kontrolliert, bevor sie zum
Verzehr freigegeben werden. Während die Bil-
dung, aber auch die toxikologische Wirkung von
Aflatoxin recht gut untersucht ist, ist das Wissen
über Alternariol noch sehr beschränkt. Alternariol
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