Andrias 19 - page 6

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andrias, 19
(2012)
geborene
de
B
ary
ist vielleicht der weltweit be-
kannteste Mykologe und wird in den USA als
„Father of Plant Pathology“ verehrt. Seine wis-
senschaftlich produktivste Zeit verbrachte er in
Baden-Württemberg. Er habilitierte sich an der
Universität Tübingen und war danach bis 1866
als Professor an der Universität Freiburg tätig,
um danach in Halle a. d. Saale und schließlich
in Straßburg zu lehren. Seiner Tätigkeit in Frei-
burg verdanken wir das bedeutendste Lehrbuch
der Mykologie des 19. Jahrhunderts mit dem
Titel „Morphologie und Physiologie der Pilze,
Flechten und Myxomyceten“, die Entdeckung
der Sexualität bei Pilzen, den Entwicklungszy-
klus des Erregers der Kraut- und Knollenfäule
der Kartoffel, den experimentellen Nachweis
des Wirtswechsels bei Rostpilzen, Grundlagen
zur Flechtensymbiose und vieles mehr. Erstaun-
lich für die damalige Zeit war, dass
de
B
ary
auch
Studenten aus anderen Ländern, selbst aus dem
außereuropäischen Ausland, anzog und ausbil-
dete. Diese wiederum exportierten sein mykolo-
gisches Know-how in die Welt. In „Introduction to
the history of mycology“ (1976) des englischen
Mykologen G
eoffrey
C
lough
A
inthworth
wird
de
B
ary
auf nicht weniger als 41 Seiten und damit
häufiger als jeder andere Mykologe zitiert.
Baden-Württemberg hat immer wieder wichtige
Mykologen hervorgebracht, so auch in den vor­
angehenden Jahrzehnten. Einer von ihnen ist
Prof. K
urt
W
alter
M
endgen
, ein vielfach aus-
gezeichneter Wissenschaftler der Universität
Konstanz, der die Wirt-Parasit-Interaktionen von
Rostpilzen molekularbiologisch und immunhi-
stologisch erforschte. Sein Schüler Prof. R
alf
T
homas
V
oegele
sowie Prof. O
tmar
S
pring
setzen
diese Forschungsrichtung an der Universität Ho-
henheim fort. Ein bekannter Flechtenkundler ist
der ehemalige Direktor des Karlsruher Naturkun-
demuseums Prof. V
olkmar
W
irth
. Der ursprüng-
lich aus Bayern stammende Pilzsystematiker und
-ökologe Prof. F
ranz
O
berwinkler
konnte einen
international bedeutenden Lehrstuhl mit Schwer-
punkt Mykologie an der Universität Tübingen auf-
bauen und wurde, als erster und bisher einziger
Deutscher, zum Präsidenten der „International
Mycological Conference“ gewählt. Auch ist er
Chefredakteur von „Mycological Progress“, einer
von der „Deutschen Gesellschaft für Mykologie“
herausgegebenen international führenden myko-
logischen Zeitschrift. Prof. O
berwinkler
s Schüler
sind heute weltweit tätig.
Während die Nachfolge von Prof. O
berwinkler
in
Tübingen noch nicht geklärt ist, haben sich an
den Universitäten in Hohenheim und Karlsruhe
mehrere mykologische Arbeitsgruppen etabliert.
An der Karlsruher Universität (Karlsruher Institut
für Technologie) gibt es jeweils drei Arbeitsgrup-
pen, die sich teilweise, und drei, die sich aus-
schließlich mit Pilzen beschäftigen. Die letzteren
sind an der Fakultät für Chemie und Biowissen-
schaften angesiedelt und werden von den Pro-
fessoren N
atalia
R
equena
, R
einhard
F
ischer
und
J
örg
K
ämper
geleitet. Sie arbeiten ausschließlich
mit molekularbiologischen Methoden. Berück-
sichtigt man, dass es weitere Mykologen am
Max Rubner-Institut (u.a. mit bedeutender Myko-
toxinforschung der Arbeitsgruppe um Prof. R
olf
G
eisen
), dem Landwirtschaftlichen Technologie-
zentrum Augustenberg und dem Naturkundemu-
seum in Karlsruhe gibt, darf man Karlsruhe ein
Zentrum der deutschen wissenschaftlichen My-
kologie nennen. In Baden-Württemberg gibt es
Mykologen außerdem in forstwissenschaftlichen
Instituten, Weinbauinstituten, Krankenhäusern
und anderen medizinischen Einrichtungen.
Doch würde man der Geschichte der Mykologie
in Baden-Württemberg in keiner Weise gerecht,
wollte man alleine die professionelle Mykolo-
gie hervorheben. Tatsächlich haben ehrenamt-
liche Pilzfreunde und Freizeitforscher in Baden-
Württemberg Erstaunliches vollbracht. So gab
es bereits in der ersten Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts ehrenamtliche Pilzberater mit fun-
dierter Artenkenntnis, die in Notzeiten der hun-
gernden Bevölkerung die Speise- und Giftpilze
erklärten und ihr Wissen weitergaben. Zu den
bekanntesten „Volksmykologen“ gehören wohl
der Gablenberger W
ilhelm
O
bermeyer
(1861-
1920), der Eberbacher J
ulius
H
auck
(1876-1966),
der Karlsruher P
aul
S
tricker
(1878-1956) und
der Stuttgarter Dr. H
ans
H
aas
(1904-2003). Alle
vier waren Lehrer und Verfasser populärer Pilz-
bücher. Die wohl älteste populärmykologische
Bildungseinrichtung in Deutschland, geleitet von
Autodidakten, ist die Schwarzwälder Pilzlehr-
schau in Hornberg. Gegründet von Schulrektor
M
ax
H
etzel
(1899-1977) und langjährig geleitet
von W
alter
P
ätzold
(1948-2011), feiert sie in die-
sem Jahr (2012) ihren 50. Geburtstag. Beachtlich
sind auch die vielen Pilzvereine und ausgebil-
deten Pilzberater. Dem Stuttgarter Künstler O
tto
B
aral
(1909-2000) verdanken wir tausende von
Pilzaquarellen, die meisten davon aus Baden-
Württemberg. Ein baden-württembergischer Pilz-
freund, der Meteorologe G
eorg
M
üller
, wusste
das neue Medium Internet als Erster zu nutzen
und gründete das erste deutsche Internetportal
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