Seite 125 - Carolinea 68

Nachruf
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Arbeit und die Synsystematik interessierten ihn
weniger, Begriffe wie „Clinon“ waren ihm suspekt.
Er war ein Mann der Praxis: „Die Vegetations-
kunde ist doch mehr oder weniger eine praktisch
ausgerichtete Wissenschaft: erst Aufnahmen,
dann Tabellen, dann nochmals Überprüfung und
weitere Aufnahmen (etwas schlecht ausgedrückt,
aber Du weißt wohl, was ich so meine).“ – „Theo-
rien zu machen. Was hilft das im Gelände: nichts
bis wenig.“ (Brief vom 2.6.1971).
E
rich
O
berdorfer
lag die plausible Vermittlung
der pflanzensoziologischen Materie am Herzen,
die anschauliche Darstellung der Gesellschaften.
Das praktikabelste und ökonomischste Mittel
hierfür ist die Vegetationskarte. O
berdorfer
hat-
te schon vor dem Krieg mit der Veröffentlichung
von Vegetationskarten im Maßstab 1:25.000
begonnen, Messtischblättern, in denen die Flä-
chenerstreckung der verschiedenen Pflanzenge-
sellschaften mit verschiedenen Farben gekenn-
zeichnet ist. G
eorg
P
hilippi
bearbeitete das Blatt
Schwetzingen (1972) und Tauberbischofsheim-
West (1983), beteiligte sich am Blatt Karlsruhe-
Nord (mit G. L
ang
, 1973)
und arbeitete an der
O
berdorfer
schen Karte Feldberg mit. Bei der
kartographischen Darstellung der potenziellen
natürlichen Vegetation von ganz Baden-Würt­
temberg von M
üller
&
O
berdorfer
(1974)
wirkte
er mit, hatte dabei aber auch abweichende Vor-
stellungen, die er in einer Neuauflage zu reali-
sieren hoffte.
Bryologie
G
eorg
P
hilippi
widmete sich der Mooskunde flo-
ristisch und soziologisch, arbeitete also auf den
gleichen Ebenen wie bei Farn- und Blütenpflan-
zen. Auch wenn er einer der wenigen war, die
in soziologischen Aufnahmen Moose und Gefäß-
pflanzen erschöpfend berücksichtigen konnten
und berücksichtigte – ein Muss geradezu etwa
bei Flachmoorgesellschaften, bei denen sich bei-
de Gruppen die Waage halten –, haben die mei-
sten seiner Arbeiten einen eindeutigen bryolo-
gischen oder Phanerogamen-Schwerpunkt. Dies
liegt zum einen an der weitgehend unterschied-
lichen Einnischung der Moose und wesentlich
geringeren Ausdehnung der Moosbestände,
zum anderen an der traditionellen Orientierung
an den systematischen Großgruppen. So er-
reichten P
hilippi
immer wieder Bitten, die Moose
bestimmter Gebiete, oft innerhalb umfassender
Monographien, zu bearbeiten. In der wertvollen
Reihe der Natur- und Landschaftsschutzgebiete
Baden-Württembergs sowie der Waldschutz-
gebiete, beide bedauerlicherweise inzwischen
eingestellt, ist er in den meisten Bänden mit der
Darstellung der Moose vertreten, der Wutach-
schlucht, des Buchswaldes bei Grenzach, des
Rußheimer Altrheins, des Taubergießen, des
Conventwaldes bei Freiburg, der Bannwälder bei
Weisweil und im Hagenschieß bei Pforzheim.
Die erste Beschäftigung mit Moosen geht wohl
auf das Jahr 1954 zurück, als G
eorg
17
Jahre alt
war. O
berdorfer
hatte dem jungen Botaniker mit
einer Bemerkung, dass in den Vegetationsauf-
nahmen auch die Moose berücksichtigt gehörten,
vielleicht dazu den Anstoß gegeben. Die Anfänge
sind eng mit Bruder G
ünter
verknüpft, mit dem
die meisten Exkursionen gemeinsam unternom-
men wurden. Die Funde wurden unter dem Zeiss-
Taschenmikroskop begutachtet. Bestimmt wurde
mit der B
ertsch
schen Moosflora (B
ertsch
1949),
weniger mit dem schwieriger zu handhabenden
G
ams
(
Kleine Kryptogamenflora). Für genauere
Untersuchungen konnte ein gutes Mikroskop
im Naturkundemuseum Freiburg benutzt wer-
den, das dessen Leiter M
artin
S
chnetter
Bruder
G
ünter
samt Arbeitsplatz angeboten hatte. Wäh-
rend G
ünter
eher floristische Neigungen hatte,
war G
eorg
auch hier der pflanzensoziologische
Ansatz wichtig. Neben dem erwähnten Kontakt
mit K
arl
M
üller
war die Verbindung zu T
heodor
H
erzog
fruchtbar, dem Autor der „Geographie der
Moose“ und der „Laubmoose Badens“ (H
erzog
1904-06, 1926).
Welch eine Vernetzung!: H
erzog
war gebürtiger Freiburger und Schulkamerad
von K
arl
M
üller
gewesen, der seinerseits von
A. L
ösch
in Kirchzarten (W
irth
2008)
mit dem Bo-
tanik-Virus infiziert worden war. Er hatte, ange-
regt von N
euberger
,
seine ersten „Moossporen“
zusammen mit K
arl
M
üller
im Südschwarzwald
verdient (H
erzog
1952,
M
ägdefrau
1962),
war
später Professor in Jena geworden und durfte
zu DDR-Zeiten zwei- oder dreimal ausreisen
und je ca. drei Wochen bei seiner Schwester in
Freiburg verbringen. Dort wurde er (etwa in den
Jahren 1954–56) von den beiden jungen P
hilip
-
pi
s aufgesucht, auch einmal am Wiedener Eck,
wo sich H
erzog
ein paar Tage aufhielt. H
erzog
bekam manchen Leckerbissen serviert, der die
Lust des schon betagten Meisters anfachte. Wie
gern hätte H
erzog
Oreoweisia serrulata (= tor-
quescens) gesehen, die er selbst am bislang ein-
zigen Fundort in Deutschland (am Belchen) im