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Nachruf
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für Floren hatte er eine Schwäche. „I
ssler
,
Vege-
tationskunde der Vogesen isch selten“, sagte er
dem jungen Botaniker, „da musst Du zugreifen,
der größte Teil der Auflage ist nach dem Krieg
wegen der Deutschfreundlichkeit von I
ssler
ver-
nichtet worden“ – „S
childknecht
isch extrem sel-
ten, ich hab ihn von …..“ . Nur selten war er eher
ungehalten, etwa dann, wenn er, der seine Ma-
nuskripte sehr sorgfältig abzuliefern pflegte, ein
schlampiges Skript eines Kollegen zum Reviewen
oder eine entsprechende fertige Publikation in die
Hände bekam. Oder auch verwundert, wenn ein
Reviewer seine Bemerkungen zur Ökologie von
Hypnum cupressiforme korrigierte. Normalerwei-
se sah man ihn freundlich lächeln, oft lachte er
bei entsprechenden Pointen herzhaft heraus.
Auf den Exkursionen erwies er sich als ausge-
sprochen anspruchslos. Schon auf einem Aus-
flug mit Vater und Bruder in die Baar wurde
kurzerhand in einem Heuschober übernachtet,
als die Bekannten in Villingen nicht angetroffen
worden waren. In den 1960er und 1970er Jah-
ren wurde gezeltet, oder es genügte der R4 als
Bettlager, oder es wurde eine Jugendherberge
aufgesucht. Beim nächsten Bäcker wurden Bröt-
chen eingekauft.
Er war ausgesprochen kontaktfreudig. Entspre-
chend groß war sein Bekanntenkreis, der sich
auf beinahe die gesamte Bryologengemeinde
Mitteleuropas und die heimischen Floristen und
Pflanzensoziologen bezog. Sehr intensiv wa-
ren die Kontakte ins Elsass – gelebte deutsch-
französische Freundschaft. Er war Mitglied in
der Société Botanique d’Alsace. Schon 1956
ist sein Kontakt mit F
ritz
G
eissert
(1923-2005)
aus Sessenheim in einem Exkursionsbericht in
Zusammenhang mit einem Milzfarn-Fundort be-
legt (G
eissert
1956).
Bald darauf dürfte er sich
mit Pastor G
onthier
O
chsenbein
(1917-2010)
und V
incent
R
astetter
getroffen haben, der sich
bryologisch im Elsass betätigte. Durch die enge
Freundschaft mit G
eissert
kam auch dessen Her-
bar ins Karlsruher Museum. Er arbeitete mit R
o
-
land
C
arbiener
zusammen. In den letzten Jahren
kamen öfter Besuche von und Exkursionen mit
A
lain
U
ntereiner
und F
rancis
B
ick
zustande. Mit
ihnen nahm er 2007 an einer achttägigen Tour in
die französischen Alpen teil.
G
eorg
P
hilippi
brachte sich im Team in manches
größere Projekt ein, ergriff aber gewöhnlich
nicht die Initiative zur Planung dieser Projekte.
So war er ein unverzichtbarer Partner und
Herausgeber bei der Entstehung der beiden
Grundlagenwerke der Blütenpflanzen und der
Moose Baden-Würt­tembergs, überließ aber das
Organisieren eher anderen. Bescheiden wie er
war, war er selten Wortführer. Und er schien
Abhängigkeiten und Verplanungen seiner Per-
son zu vermeiden. Kurzfristig zu erledigende
Publikationen waren nicht seine Sache. Seine
Arbeiten waren überwiegend Ergebnisse ur-
eigener Forschungen und hatten daher ihn als
Alleinautor – die Zahl der Arbeiten, in denen er
als Co-Autor fungierte, ist andererseits groß ge-
nug, seine Kooperationsbereitschaft zu belegen.
Er war sehr stark dem südwestdeutschen Raum
und den angrenzenden Gebieten verbunden
und verhaftet, mit einem Faible für das Elsass
und die Vogesen. Die Auslandsreisen spiegeln
sich vor allem in seinen Aufsammlungen wider,
waren also mehr Sammelreisen im Interesse
des Museums. Die Expedition nach Spitzbergen
fand ihren Niederschlag in einer ­Pub­likation der
Vegetation des Freeman-Sundes (P
hilippi
1973),
die häufigen Familienaufenthalte am Gardasee
trugen bryologische „Früchte“ in einer Übersicht
der Epiphytenvegetation des Gardasees (P
hilip
-
pi
1983).
Sammelreisen in die Bergwälder von
Zaire (1970, 1972), nach Süd­amerika (1982)
sowie Reisen nach Madeira, Gomera und den
Azoren (mit K. H
orn
)
sind in zahlreichen Herbar-
belegen von Moosen dokumentiert, die wie sei-
ne gesamte Sammlung im Naturkundemuseum
Karlsruhe deponiert sind.
G
eorg
P
hilippi
auf die Botanik zu reduzieren,
wäre selbst in einem wissenschaftlich moti-
vierten Nachruf ganz und gar unangemessen.
G
eorg
war alles andere als ein Mensch, der von
der Botanik oder der Wissenschaft aufgefressen
worden wäre, obgleich Botanik und Nicht-Bota-
nik oft einander durchdrangen. „Familie war für
den Vater G
eorg
sehr wichtig, es war das dritte
Standbein“ (neben Botanik und Kunstgeschichte)
– „
oder vielmehr das erste“, wie die Tochter sagt.
Einen Eindruck von seinem Interesse für alte
Architektur bekam man bereits auf botanischen
Exkursionen mit ihm, ob privat in kleinem Kreis
oder auf Exkursionen mit Vereinen oder Gesell-
schaften. Oft wurde der Besuch einer Kirche, ei-
ner Burg, eines sehenswerten architektonischen
Ensembles mit eingebaut. In seiner Bibliothek
waren meterweise Kunstbände vertreten. Seine
Kenntnisse zu lokalen Sehenswürdigkeiten wa-
ren beträchtlich, ob es um die Pfalz in Gelnhau-