P
eintinger
:
Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) im westlichen Bodenseegebiet
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Natürlich ist die Zahl der Blütenstände auch
von Wetterereignissen abhängig (K
ostrakiewicz
2006),
weswegen kurzfristige Veränderungen
nicht überbewertet werden sollten. Die Blühhäu-
figkeit ist aber trotzdem ein Ausdruck der Vitalität
von Pflanzen und ist Voraussetzung für eine er-
höhte Samenbildung. Die Anzahl der Blütenstän-
de sagt aber wenig über die Populationsstruktur
aus. So konnten beispielsweise O
ostermeijer
et
al. (1994) zeigen, dass gerade Bestände von
Gentiana pneumonanthe mit einem hohen Anteil
blühender Pflanzen überaltert sind und eine Ver-
jüngung über Keimlinge nicht mehr erfolgt. Für
Iris sibirica konnte K
ostrakiewicz
(2007, 2008)
nachweisen, dass Keimlinge nur in künstlich ge-
schaffenen Vegetationslücken aufkamen, nicht
jedoch in der geschlossenen Vegetationsdecke.
Langfristige Trends (> 20 Jahre) sind bei Iris sibi-
rica aber aussagefähig, weil nach K
ostrakie
­
wicz
(2007)
Klone nach einer Lebensdauer von 10
Jahren auseinanderfallen und keine generativen
Triebe mehr bilden sollen.
Erstaunlich ist, dass bei Iris sibirica im Gegensatz
zu vielen Orchideen-Arten und zu Gladiolus pa-
lustris (P
eintinger
1990, 2000)
kein Rückgang von
blühenden Pflanzen nach dem Jahrhundert­hoch­
wasser 1999 festgestellt wurde.Offensichtlich sind
die Pflanzen überschwemmungstolerant, was für
eine Stromtalpflanze nicht verwundert. Hingegen
schreiben B
ohner
et al. (2001) „Iris sibirica erträgt
...
keine länger andauernde Überflutung während
der Vegetationsperiode“, ohne dies jedoch zu
belegen. Nach dem extrem trockenen Sommer
2003
wurde eine geringere Zahl von Blütenstän-
den im darauf folgenden Jahr festgesellt. Wahr-
scheinlich litten die Pflanzen im Sommer 2003
unter Trockenstress, wofür auch die Beobachtung
spricht, dass die Iris sibirica-Pflanzen besonders
kümmerlich entwickelt waren (kurzschaftige und
kleine Blütenstände).
5.3
Vergesellschaftung
Iris sibirica-Wiesen wurden entweder als eigene
Assoziation beschrieben oder zu verschiedenen
anderen Molinion-Gesellschaften gestellt. Diese
unterschiedliche Zuordnung der Wiesen dürf-
te auch darauf zurückzuführen sein, dass es
Bestände mit und ohne Molinia caerulea agg.
gibt. Die typischen Pfeifengraswiesen wurden
im westlichen Bodenseegebiet als Cirisio tube-
rosi-Molinietum belegt (L
ang
1973)
und später
dem Allio suaveolentis-Molinietum, Subass.
mit Schoenus ferrugineus zugerechnet (O
ber
-
dorfer
1983).
Diese Ausbildung am Bodensee
entspricht aber ziemlich genau dem Molinietum
caeruleae, wie es K
och
(1926)
beschrieben und
durch Vegetationsaufnahmen belegt hat. Zudem
erscheint eine erweiterte Fassung des Molinie-
tum caeruleae sinnvoll, da eine Zersplitterung
der typischen Pfeifengraswiesen in etliche Asso-
ziationen überregional nicht zu rechtfertigen ist.
B
urkart
et al. (2004) rechnen die Streuwiesen
am Bodensee zur „Ausbildung mit Valeriana pra-
tensis“ (eigentlich V. officinalis s.str., s. Kap. 3)
und zu intermediären Beständen, die zwischen
dieser Ausbildung und der mit Allium suaveolens
aus dem bayerischen Voralpengebiet vermitteln.
Die Ausbildung am Bodensee mit Valeriana offi-
cinalis ist zwar charakteristisch für spät gemähte
Streuwiesen, stellt aber keinesfalls wie B
urkart
et al. (2004) vermuten, ein „Abbaustadium“ oder
Brachestadium dar.
Anhand des Aufnahmematerials ließen sich zwei,
wenn auch schwach differenzierte, Ausbildungen
unterscheiden. Eine Subassoziation von Molinia
caerulea wurde bereits von P
hilippi
(1960)
für das
westliche Bodenseegebiet beschrieben. Eine
weitere Subassoziation mit Carex gracilis (heute
C. acuta) bei P
hilippi
(1960)
entspricht der hier
beschriebenen Ausbildung mit Thalictrum fla-
vum. Neben der namensgebenden Segge nennt
P
hilippi
(1960)
als Trennarten Climacium dendro-
ides, Persicaria amphibia und Phalaris arundin-
acea. L
ang
(1973)
hat diese Unterteilung nicht
übernommen. Sie lässt sich hier jedoch durch
wesentlich umfangreicheres Aufnahmematerial
bestätigen. Allerdings sind gerade die bei P
hilippi
(1960)
genannten Trennarten Carex acuta und
Climacium dendroides in den hier publizierten
Vegetationsaufnahmen in beiden Ausbildungen
gleich häufig.
Die Iris sibirica-Wiesen waren im Gegensatz zu
den typischen Pfeifengraswiesen offensichtlich
vor allem auf nährstoffreicheren Standorten zu
finden, weswegen sie im Mündungsbereich der
Flüsse großflächig entwickelt sind. Bereits P
hilip
-
pi
(1960)
schreibt „die Aachmündungen besitzen
nährstoffreiche schwere Auenböden mit viel Iris
sibirica und Allium angulosum, während im Woll-
matinger Ried die typischen Pfeifengraswiesen
auf sandig-mergeligen Böden („Schnegglisan-
de“) vorkommen“.
Innerhalb der Iris sibirica-Wiesen könnte der
Nährstoffgehalt im Boden auch für die Differen-
zierung der beiden Ausbildungen verantwortlich
sein. Gerade Molinia caerulea agg. geht schnell
nach Nährstoffeintrag zurück, weil die Art dann
nicht mehr konkurrenzfähig ist.